Alain Llorca – Entrecôte d’Azur

Das Hinterland von Nizza und Umgebung bietet eigentlich die anspruchsvolleren Ausflugsziele als die mondänen Küstenorte. Nicht auszulassen in dieser Gegend sind bspw. Abstecher in Richtung Saint-Paul-de-Vence, einstiger Wohnort von Marc Chagall, mit den jahrhundertealten Gassen; und auf dem Weg dorthin die Fondation Maegth, wo Kunstwerke von Miró, Giacometti und Calder fasziniert in die Umgebung integriert sind. Hat man nach einigen Fußmärschen und kulturellen Bereicherungen dann genug Appetit, bietet sich ein Mittagessen auf der großen, schattenspendenden Terrasse von Alain Llorca an.

Das Restaurant ist in der Gegend eine regelrechte Institution. Entsprechend institutionalisiert wirken zwar auch Empfang und Service, aber die Entspannung setzt spätestens am Tisch ein. Das Restaurant befindet sich in Hanglage; der Blick schweift über ein riesiges, sanft hügeliges, mit Zypressen übersätes Tal bis weit hinten nach Cagnes-sur-Mer und hinaus aufs Meer. In Kombination mit einem Glas eiskalten Champagners ist das eine traumhafte Kulisse für ein déjeuner.

Besondere Bekanntheit genießt in diesem Haus der riesige Holzkohlegrill, auf dem Fleisch in allermöglichen Schnitten brutzelt. Das passt hervorragend in meine kulinarische Agenda, denn nach so viel Fisch und Gemüse der letzten Tage – so grandios das auch war –, kommt mir ein ehrliches Steak jetzt gerade recht.

Wenig später liegt dann ein brutzelnd heißes, saftiges und ungemein zartes Entrecôte* vom US-Angus-Beef (€ 40) auf meinem Teller. Dazu ein paar sorgfältig zubereitete Gemüsebeilagen, eine makellose dunkle Sauce, und fertig ist das Fleischesglück. Alles stimmt hier: der Gargrad, die Dicke des Fleischs, der Fettanteil, der nussige Geschmack, die leicht krosse Kruste.

Es mag paradox erscheinen, aber derartige Fleischgenüsse sind der Grund für meine seit Jahren zunehmende Zurückhaltung was Fleischkonsum betrifft. Ein Block-House-Besuch liegt bei mir genauso viele Jahre zurück wie ein unreflektierter Griff zu Fast-Food. Bei Fleisch sind Kompromisse immer schlecht, denn sie führen zu kaugummiartigem Essensfrust und fördern Massentierhaltung – beides Dinge, die ich ablehne. Eine Qualität wie hier und heute auf dem Teller ist überaus schwer zu finden, da kann man noch so viele Steakhäuser mit trendigen Dry-aged-Vitrinen aufsuchen. Meine Konsequenz daraus ist eben: weniger Fleisch, aber wenn, dann richtig gut. Genau das ist auch der Grund, warum zu Recht ein Michelin-Stern über diesem sonst recht unprätentiösen Haus strahlt. Und auch ein an unserem Tisch gewähltes Fischgericht ist exzellent.

Ärgern muss ich mich an diesem Tisch einzig über mein eigenes Missgeschick, ein Stück Fleisch von meiner Gabel aus kritischer Höhe hinab in die dunkle Sauce fallen zu lassen. Die Kraft des Aufpralls reicht aus, um mein weißes Hemd von Ärmel zu Ärmel in ein gesprenkeltes zu verwandeln. Doch der Kellner ist schnell mit mehreren in heißes Wasser getränkten Tüchlein zur Stelle, die das Schlimmste verhindern.

Ein guter Schokoladenkuchen noch, dazu ein Espresso und der Blick ins Tal, und jeder Frust ist verschwunden!

---*) Liebes deutschsprachige Service-Personal, so unschön die letzte Silbe in deutschen Ohren klingen mag, wird sie doch so ausgesprochen. Bitte serviert mir nie wieder ein „Entre-Koh“. Danke!

Informationen zu diesem Besuch
Restaurant: Alain Llorca (→ Website)
Chef de Cuisine: Alain Llorca
Ort: La Colle sur Loup, Frankreich
Datum dieses Besuchs: 06.06.2013
Guide Michelin (F 2013): *
Meine Bewertung dieses Essens 7 (Was bedeutet das?)