Tourniert: Elbphilharmonie und Ambrosia

Zum Auftakt des Jahres hatte ich eigentlich geplant, im Flieger nach Shanghai zu sitzen, um dort neuen Michelin-Sternen hinterherzureisen. Da ich meine Reise jedoch bekanntermaßen verschieben musste, wurde aus dem Plan nichts. Vorerst. Ich habe die Reise dann 14 Tage später nachgeholt. (Hier liest man ein erstes Resümee.)

In der Zwischenzeit hatte ich den dunklen, nasskalten Winter in Hamburg verbracht und einige neueröffnete Restaurants ausprobiert. Ich gebe die Hoffnung ja nicht auf, dass ich dabei mal auf eine Perle stoße. Um es gleich vorweg zu sagen: ich habe keine gefunden – aber dennoch einiges erlebt.

Direkt zu einem Bericht springen:

→ The Greek, Hamburg
→ The Saffron, Hamburg
→ Störtebeker Beer & Dine, Hamburg


The Greek, Hamburg

Eigentlich auch kein Restaurant, über das ich üblicherweise hier berichte, fiel mir das The Greek von außen als moderne neue Gastronomie dennoch sofort ins Auge. Die atmosphärisch beleuchtete Fassade mit großen Fenstern, die eine Sicht auf warmes Holz und eine spannende Innenarchitektur preisgeben, wirkt einladend und großstädtisch. So etwas sieht Hamburg nicht alle Tage.

Inhaber Michalis Josing ist in Hamburg so etwas wie der Urvater der griechischen Küche. Ich selbst bin mit seinen Restaurants, von denen es bislang keines als Empfehlung in einen Gastronomieführer geschafft hat, noch nicht in Kontakt gekommen.

Die Website von Josings neuem Restaurant übt sich derweil in Größenwahn: „Ein griechisches Restaurant der Spitzenklasse“, „Perfektion auf dem Teller“ und „Wine and Food Created by Gods“. Ambrosia kommt an die Landungsbrücken. Das wirkt. Da muss ich hin.

Mein erstes auswärtiges Essen in diesem Jahr ist also griechisch. Die zahlreichen Tische verteilen sich auf drei Ebenen; im Untergeschoss gibt es einen Raum, in dem geraucht wird. Zigarettenmief zieht hin und wieder zu mir an den Tisch.

Ich bestelle einige Gerichte von der Karte, die in einem Klemmbrett gereicht wird, und dazu eine Flasche 2012er Trilogia (€ 84), der in dickwandigen, viel zu kleinen Gläsern serviert wird. Zu „hausgemachtem“ Brot – da dürfte man ruhig noch etwas üben – gibt es handelsübliche Oliven und eine rosafarbene, optisch an Zahnpasta erinnernde Substanz mit bissigem Knoblauchgeschmack.

Letztere findet man auch auf dem ersten Teller wieder, sie begleitet, in Tupfern, Kalamari vom Grill (€ 12), die etwas zäh sind, aber immerhin eine ansprechende Röstnote aufweisen. Grill-Oktopus (€ 12) sieht genauso aus, schmeckt absolut identisch, und „Tomatenbällchen“ mit Linsenpüree und Kapern („aus Santorini“) schmecken wie Fettreste aus der Fritteuse. (5/10)

Ich will es wissen, bestelle noch Wolfsbarsch mit roter Bete, Kumquat-Chutney und Anis (€ 27), was sich als durchaus akzeptables Gericht entpuppt (6/10). Aber was um alles in der Welt machen die ganzen Rosenblätter auf jedem Teller? Betreibt man noch ein Blumengeschäft im Keller?

Einmal, nie wieder, schade um die gelungene Location.

Informationen zu diesem Besuch
Restaurant: The Greek (→ Website)
Chef de Cuisine: Sergio Ortega
Ort: Hamburg, Deutschland
Datum dieses Besuchs: 04.01.2017
Meine Bewertung dieses Essens 5 (Was bedeutet das?)
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The Saffron, Elbphilharmonie, Hamburg

Wer meinen knappen, aber unmissverständlichen Facebook-Post zu meinem Essen im The Saffron noch nicht gesehen hat, ist vermutlich entweder heute zum ersten Mal auf meinem Blog oder nicht bei Facebook aktiv. Denn so oft wie dieser Beitrag geteilt und kommentiert wurde, konnte dieser kaum an jemandem vorbeiziehen. Selten habe ich auf einen einzigen Post so viele Reaktionen erhalten. Das Erstaunliche daran: meine deutliche Kritik an dem Essen in einem der Gastronomiebetriebe der Elbphilharmonie ist auf großes und ausnahmsloses Verständnis gestoßen. Meistens muss ich bei negativer Kritik zu einem Restaurant nicht lange auf Aussagen wie „Aber wir hatten dort einen ganz tollen Abend!“ warten, mit denen manch einer meint, auch Mittelmäßiges in ein gutes Licht rücken zu können. Doch in diesem Fall herrschte einstimmige Verzweiflung über das mir dort Servierte. Und das, obwohl fast niemand der Kommentierenden bisher in dem Restaurant gewesen ist.

Das Essen betreffend möchte ich gar nicht nachtreten, schließlich hatte ich hinsichtlich des Restaurants ohnehin keine großen Erwartungen. Ich bin dort lediglich eingekehrt, weil ich als Nachbar bereits seit Jahren die Entstehung von Hamburgs neuem Wahrzeichen verfolge. Welch großartige Gastronomie man dort hätte planen können!

Es besteht vielmehr an anderer Stelle Diskussionsbedarf.

Was mich an dem scheinbaren Konsens gestört hat, ist die Tatsache, welch tiefes kulinarische Niveau ich erst präsentieren muss, um den kleinsten gemeinsamen Nenner für „schlecht“ zu finden. Zweifellos war es möglich, bereits aufgrund meiner Fotos nachzuvollziehen, dass die Gerichte banal und dilettantisch waren.

Ein Gericht mit Lachs und Blumenkohl zeigt das Ausmaß der Probleme am besten. Doch hätte der Lachs in kleinen Zylindern auf dem Teller gestanden, dazwischen ein paar perfekt runde Kleckse Blumenkohlpüree mit eingestecktem Dillzweig, dann entspräche diese Anrichtweise genau dem, was viele hierzulande mit „Sterneküche“ assoziieren.

Dabei ist das Manko dieses Gerichts in allererster Linie nicht seine Optik im Sinne einer plumpen Anrichtweise, sondern die Optik der Zutaten per se und was dies über die Qualität des Gerichts aussagt. Guter Lachs ist leuchtend orange, im besten Fall scheint eine strahlend weiße Fettmarmorierung hindurch, das Fleisch ist fest. Dieser hier ist fahl und grau (auch dank kurzer Erhitzung), die Fleischfasern klaffen auseinander, er sieht trocken aus, riecht nicht gut; das Püree ist stückig, der Blumenkohl labbrig. Die Probe am Gaumen reflektiert dann diese Mängel. Und erst dann, am Ende dieser objektiven Probleme, spielt die Anrichtweise, die in diesem Fall tatsächlich sehr fraglich ist, überhaupt erst eine Rolle. Wiese der Lachs eine hervorragende Qualität auf, wäre dieser Punkt zu vernachlässigen.

Worauf ich hinaus möchte ist, dass man solche Probleme auch dann erkennen kann und muss, wenn die Zutaten „hübsch angerichtet“ sind. Von hübsch angerichteten Gerichten – das sind für viele Esser solche Teller, bei denen irgendein Zeitaufwand fürs Anrichten erkennbar ist (je mehr, desto besser) – lassen sich jedoch regelmäßig Gäste blenden. Ich meine damit nicht die bei jedem Menschen beeinflussbare Wahrnehmung durch verschiedene (angenehme und unangenehme) Reize, sondern ein nahezu völliges Abschalten einer rationalen Betrachtung des Servierten.

Ich erlebe das ständig in Restaurants. Da werden an Nachbartischen Teller aufgetischt, die in irgendeiner Form professioneller angerichtet sind als man das von zu Hause kennt, und bereits im Moment des Auftischens erklingt ein Raunen an Begeisterung am Tisch. Ohne dass sich irgendjemand der Staunenden die Zutaten genauer angesehen hätte.

Wer mir zustimmen kann, dass der Lachsteller im The Saffron fürchterlich aussieht, muss mir auch zustimmen, dass Teller mit unreifer Avocado oder mit matschigem Steinpilz ähnlich mangelhaft sind – und zwar völlig unabhängig davon, wie viele Michelin-Sterne das Restaurant zieren, wie mühevoll das Gericht angerichtet wurde oder wie schön irgendein Abend war, den man mal dort verbracht hat.

Schlechte Zutaten bleiben schlechte Zutaten. Sie sind sowohl auf „hübschen“ als auch „hässlichen“ Tellern einfach zu entlarven, und sie sind immer zu beanstanden. Es ist in Deutschland nicht einfach, Produkte einzukaufen (oder zu verkaufen), die so exzellent sind, dass sie von sich aus überzeugen. Dies ist aus meiner Sicht auch der Grund, warum wir überhaupt so häufig mit über-angerichteten Tellern konfrontiert werden. Der Gast soll vom eigentlichen Problem abgelenkt werden. Und das geht am besten, wenn man bastelt und modifiziert was das Zeug hält: zerkleinern, pürieren, unkenntlich machen, überdecken. Das sind alles Täuschungsmanöver.

Wahre, große Küche überzeugt ausnahmslos durch identifizierbare, authentische, exzellente Produkte. Für mich sind Gerichte immer nur dann „schön“, wenn mich die Qualität der Zutaten bereits beim Servieren anlacht. Dekoration hat für mich keinerlei kulinarischen Wert, sie darf immer nur ein Bonbon sein. Ich plädiere daher für mehr Wachsamkeit in dieser Hinsicht. Teller wie die im The Saffron schlecht zu finden, ist einfach, aber man muss auch wissen, warum.

Zieht man diese Gedanken in Betracht, zu denen das Essen hier angeregt hat, war auch dieser Besuch ein lohnender. Zur Nachahmung ist er dennoch nicht empfohlen.

Informationen zu diesem Besuch
Restaurant: The Saffron (→ Website)
Chef de Cuisine: Martin Kirchgasser
Ort: Hamburg, Deutschland
Datum dieses Besuchs: 16.01.2017
Meine Bewertung dieses Essens 5 (Was bedeutet das?)
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Störtebeker Beer & Dine, Elbphilharmonie, Hamburg

Der andere von zwei Gastronomiebetrieben in Hamburgs neuem Konzerthaus fährt unter der Flagge der Brauerei Störtebeker. Diese war mir bis dahin völlig unbekannt, aber vermutlich soll dieses Restaurant genau diese Wissenslücke füllen. Betrieben wird die Gaststätte von der east-Gruppe, zu deren Portfolio bereits diverse kulinarisch mäßige, aber stets atmosphärische Szene-Restaurants (coast by east, Clouds, east u. a.) in Hamburg gehören. Entsprechendes Gastronomie-Knowhow ist damit vorhanden, was man bereits beim professionellen Empfang und dem recht angenehm gestalteten Interieur merkt.

Sonderbar ist das Konzept dennoch: Es geht irgendwie um Bier und um Hamburg, aber die Speisekarte spricht größtenteils Französisch. Da hilft es auch nicht, wenn man selbst von „nordischen Spezialitäten“ spricht. Rindertartar, gebratene Jakobsmuscheln, Hummerschaumsuppe, Maispoularde, Rinderfilet: das klingt eher nach französischer Brasserie. Man bekommt hier Bier in kleinen Probierportionen, aber eine Weinkarte gibt es auch. Diese ist, wie fast überall in Hamburg, zum Einschlafen langweilig, aber ich finde darin einen Alión (€ 98), den der Kellner amüsanterweise Französisch ausspricht („à Lyon“).

Ein Stück Kabeljau (€ 28,50) ist von akzeptabler Qualität, kommt mit einer etwas gummiartigen Kruste und labbrigen Zwiebelringen obenauf; Birnenragout und Spitzkohl sind aber auf den Punkt und sorgen für etwas Frische (6/10). Nichts zum Verlieben, aber essbar. Deutlich besser ist das Lammkotelett von erstaunlich guter Qualität (schöne Marmorierung), dazu gibt es ein gut abgeschmecktes und auf den Punkt gegartes Bohnen-Cassoulet und einen makellosen Kartoffel-Gratin (6,5/10). Hierin sind die knapp 30 Euro besser investiert, aber die Preise sind dennoch eher frech als recht.

Gefehlt hat diese Gastronomie in Hamburg nicht, und damit ist auch das Schiff mit dem Namen „Gastronomie in der Elbphilharmonie“ erst einmal abgefahren. Mit mir an Bord.

Informationen zu diesem Besuch
Restaurant: Störtebeker Beer & Dine (→ Website)
Chef de Cuisine: Andreas Pechatschek
Ort: Hamburg, Deutschland
Datum dieses Besuchs: 18.01.2017
Meine Bewertung dieses Essens 6 (Was bedeutet das?)
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