Neun Tage Japan, 13 Restaurants, 32 Michelin-Sterne, eine Million Eindrücke

Wo fange ich nur an, um meine letzte Reise nach Japan zusammenzufassen? Ich sitze beim Beginn dieser Zeilen im Flieger; laut Anzeige vor mir auf dem Bildschirm sind es noch 9.837 km bis nach Deutschland. Jetzt noch 9.816. Viel zu schnell ist man wieder weg.

Ich habe die letzten neun Tage in Japan verbracht. Es war (erst) meine zweite Reise dorthin, wofür man sich als begeisterter Esser und Produktfanatiker eigentlich schon fast schämen muss – so essenziell ist es, im Land der aufgehenden Sonne Eindrücke zu sammeln und seinen kulinarischen Horizont zu erweitern.

Natürlich war meine Reise kulinarisch motiviert, aber das sind Reisen als passionierter Esser immer. Die Leidenschaft für gutes Essen ist nach wie vor eine der erfüllendsten, die ich mir vorstellen kann. Sie bringt mich an interessante Orte, zu interessanten Menschen und in unvergessliche Situationen; sie ist genuss- und lehrreich, wertvoll und bereichernd. All das könnte Bücher füllen und Material für Drehbücher sein, momentan muss aber dieser Blog ausreichen, um meine Erlebnisse zu teilen.

Vorbereitungen

Die erste Handlung, um meine zweite Reise nach Japan zu planen, war, dass ich mir darüber Klarheit verschaffen musste, wohin ich in Japan reisen wollte. Es ist kein Geheimnis, dass die Drei-Sterne-Restaurants für mich die Richtung weisen, und in dieser Hinsicht war Kyoto noch ein großer weißer Fleck. Kyoto! Ehemalige Kaiserstadt Japans, die Stadt der Kirschblüte, die Stadt der Schreine und Tempel, der Füchse und Frösche und der roten Tori. Für diesen Reisewunsch braucht man natürlich keinen Guide Michelin. Aber man braucht einen Impuls. Und in meinem Fall war das nun mal, wie so oft, die Küche.

In Kyoto wird die höchste Form der japanischen Küche kultiviert: Kaiseki. Der Guide Michelin hat in Kyoto derzeit sieben Restaurants mit drei Sternen ausgezeichnet, von denen alle diese traditionelle Form der Küche servieren. Mehr dazu später.

Um Kyoto herum habe ich weitere Reisepläne ausgearbeitet. Irgendwann stand dann eine Route, die mich von der Landung in Tokio zunächst in ein Ryokan in den Bergen bei Hakone führte, dann für fünf Tage nach Kyoto, zwei nach Osaka und zwei weitere nach Tokio, von wo aus ich dann wieder abreisen würde.

Ich habe mir die jeweiligen Restaurants im Guide Michelin herausgesucht – online und in den Büchern, die ich teilweise aus Japan bestellt habe –, deren Öffnungszeiten notieret und mit meinem Reisekalender grob in Einklang gebracht. Dann habe ich Hotels recherchiert (und Perlen gefunden wie das fantastische Ritz-Carlton in Kyoto) und habe über einen Zeitraum von sieben Monaten über zweihundert E-Mails mit Concierge-Teams und Restaurants ausgetauscht. Allein diese Planung war schon ein Erlebnis. Und sie hat mich aus dem Staunen nicht mehr herausgebracht …

Reservierungen

Die Systematik, um sich den Drei-Sterne-Restaurants in Japan zu nähern, folgt einem logischen Schema. Die Restaurants, die online zu reservieren sind, erledigt man am besten zuerst, danach tauscht man sich mit den Concierige-Teams der Hotels aus und informiert sie über die Planung. Man braucht dafür gute Hotels, die ein solches Anliegen ernst nehmen und zehn Uhr für 10:00 Uhr halten und nicht für 10:01 Uhr, und die sich auch nach fünf Monaten noch an den jeweiligen Reservierungswunsch erinnern und einen über den jeweiligen Fortschritt informieren. Und man muss selbst auch akribisch sein: Tabellen und Listen pflegen, Erinnerungen in Terminkalendern einstellen, Zeitfenster für Reservierungsthemen vorsehen, Concierge-Teams zum richtigen Zeitpunkt die richtigen Erinnerungs-E-Mails schicken. Gelassenheit und Spontaneität mögen bei manch einem Tugenden sein; aber wer in den besten Restaurants Japans essen will, muss solche Nonchalance ablegen und verbohrt, willens und passioniert sein. Wer das alles nicht will, „kein solches Theater“ wünscht und so weiter: auch gut. Man kann in Japan auch ohne Michelin-Sterne, Concierge-Teams und umfangreiche Planung essen – sehr gut sogar. Aber ich plane nun mal nicht für andere, sondere für mich.

Nachdem die ersten Rückmeldungen der Hotels eintrafen, war bezüglich der Kaiseki-Restaurants in Kyoto eine Sache von vornherein anders. Denn neben den Standardangaben wie Datum, Uhrzeit, Name und Personenanzahl fragen die Kaiseki-Restaurants in Kyoto immer auch ein Budget ab. Es gibt bei jedem Restaurant verschiedene Preisoptionen. Diese beginnen – zum Mittagessen – um die ¥ 15.000 (ca. € 125) und gehen bis zu ¥ 70.000 (ca. € 580) am Abend – teurer kann man weltweit kaum reservieren, von irgendwelchen dubiosen Gastromiespektakeln einmal abgesehen. Erläutert werden die verschiedenen Optionen jedoch nicht. Auf Rückfrage beim Concierge erfahre ich, dass es sich bei den verschiedenen Preisen nicht etwa um den Umfang des Essens handelt – so wie das bei uns der Fall wäre –, sondern um eine Kombination aus der Qualität der Zutaten bis hin zum Geschirr.

Ein Auszug aus einer meiner E-Mails hierzu:

As for Hyotei, they take reservation from 3 month ahead on website. However, we may take reservation a bit earlier. Shall we try it? If so, please advise what course you would like to order. They serve following course. Difference is quality of ingredients.

Morning : 4,500JPY (including service fee and tax) Lunch: 23,000JPY/ 27,000JPY/ 32,000JPY (including service fee and tax) Dinner: 27,000 JPY/32,000JPY/37,000JPY/42,000JPY (including service fee and tax)

Wie soll man so etwas entscheiden? Der Hinweis, es handele sich nur um ein Unterschied bei den Zutaten, ist nur eine Vereinfachung. Es geht um ein ganzheitliches kulturelles Erlebnis, das man sich umso exklusiver gestalten kann, je mehr man zu investieren bereit ist.

Am Ende kommt die Auswahl einem Dart-Spiel gleich. Mittags habe ich mich häufig für eine geringere oder mittlere Budget-Option entschieden, abends dann für eine der teureren. Wenn schon, denn schon.

Ungefähr vier Wochen vor meiner Reise stand dann der Plan für die Restaurants. Die Reservierungen für die Restaurants in Osaka und Tokio waren auch alle problemlos zu regeln; nur für den Tisch bei Saito musste ich einen persönlichen Kontakt aktivieren. Und auch das war nicht einfach. Das Restaurant ist inzwischen nahezu unmöglich zu buchen.

In den Wochen und Tagen vor der Abreise hieß es dann nur noch: sich freuen – und bloß nicht krank werden. Ernsthaft natürlich sowieso nicht, aber auch eine Atemwegsinfektion wäre unverzeihlich. Besondere Vorsichtsmaßnahmen sind daher angebracht, wenngleich die salonfähige Verwendung eines Mundschutzes leider bis Japan warten musste. Bei uns muss man sich dafür doch noch zu sehr erklären. Einen Schal um den Hals und warm anziehen sind stattdessen unsere – völlig sinnlosen – Hilfsmittel gegen Rhino- und Corona-Viren. Das finde ich deutlich erklärungsbedürftiger. Aber so ist das nun mal mit den anderen Kulturen und Sitten.

Aber auch als Hypochonder schafft es man es irgendwie ohne Mundschutz, und so bin ich am 6. März fit, neugierig und voller Tatendrang in Tokio gelandet.

Hakone

Nach der Landung habe ich mich von einem Taxi abholen uns ins zwei Stunden entfernte Ryokan Gôra Kadan in Hakone bringen lassen, das zur Hotelvereinigung Relais & Châteaux gehört und auf einen entsprechend hohen Standard hinweist. Ich war äußerst gespannt. Das Haus befindet sich in südwestlicher Richtung auf dem Weg nach Kyoto in den Bergen. Ein Ryukan ist eine ursprünglich für Wanderer geschaffene Herberge, die Logis und Verpflegung unter einem Dach bietet, im Prinzip also ein Hotel.

Das Erlebnis war fantastisch. Vom wohnungsgroßen Zimmer mit niedrigen Decken und mit Papier bespannten Bambustüren über die Terrasse mit eigenem kleinen Außenpool (Onsen) mit heißem Thermalwasser bis zum Kaiseki-Menü, das um Punkt 18.30 Uhr von Japanerinnen in traditionellen Gewändern im Zimmer serviert wird, war das eine unvergessliche, sehr traditionelle Erfahrung. Details folgen.

Am nächsten Tag ging es weiter mit Taxi und Shinkansen nach Kyoto.

Kyoto

Spätestens nach 24 Stunden war ich der Stadt erlegen – und von ihr eingelullt in einer Wolke aus Gemütlichkeit, Kultur, Sauberkeit, Ästhetik und Detailreichtum. Schreine mit Zetteln; Füchse und Frösche; Gärten und Glocken; Tempel und Stufen; Gassen mit Steigungen; Lichter und Lampen; Freundlichkeit und Demut. Der erste Tag war toll, der zweite hat mich süchtig gemacht, der letzte war traurig.

Übernachtet habe ich im nicht einmal drei Jahre alten Ritz-Carlton, ein absolutes Juwel, unscheinbar in die örtliche Architektur integriert, und doch unglaublich luxuriös, persönlich und traumhaft gestaltet.

Am ersten Abend hatte ich eine Reservierung bei Nikuno Takumi Miyoshi, einem vom Guide Michelin bisher übersehenen Restaurant, das für sein Rindfleisch in verschiedenen Zubereitungen bekannt ist. Danach habe ich in Kyoto sechs der insgesamt sieben Drei-Sterne-Restaurants besucht, immer Mittags und Abends eines. Von diesem Vorhaben wollte mich während meiner Reiseplanung sogar einer der Concierges abhalten – in bester Absicht.

As advise, if people go to Japanese kaiseki cuisine for every lunch and dinner, Most of people give up to some restaurant. Because the taste and food is similar for oversea country's people, even Japanese people.” [sic]

Doch ich habe mich nicht von meinem Vorhaben abbringen lassen. Die Unterschiede zwischen den vermeintlich ähnlichen Restaurantstilen zu entdecken gehörte für mich von Anfang an zu einem der spannendsten Pläne dieser Reise. Ist ein bestimmtes Produkt mäßig, gut, sehr gut oder hervorragend? Schmeckt ein bestimmtes Gericht, das möglicherweise überall serviert wird, immer gleich? Sind die teureren Menüs besser als die günstigeren? Drei Michelin-Sterne: kann man das überall nachvollziehen? Diese Fragen brannten mir unter den Nägeln.

Zuerst habe ich das Restaurant Chihana besucht, das sich in einer kleinen Seitengasse versteckt, und nach dem ich mir gewünscht habe, dass es kulinarisch nicht so weitergehen möge. Am Abend, im Kichisen, war ich dann erleichtert, dass sich mein Wunsch erfüllte; am nächsten Tag bei Nakamura erlebte ich eines der besten Essen meiner Reise; abends im sündhaft teuren Kitcho Arashiyama gab es viel Entertainment, aber schwankenden Genuss; das nächste Mittagessen, im Hyotei, war sehr gut; und ein Abendessen im auch berühmten Kikunoi Honten war aus verschiedenen Gründen aufwühlend.

Die kulinarischen und gastronomischen Erfahrungen, die ich in Kyoto gesammelt habe, zählen für mich schon jetzt zu den eindrucksvollsten überhaupt. Die Erlebnisse waren massiv, schnell und kompakt. Kann man sie dann überhaupt noch wahrnehmen? Die Frage ist berechtigt, die Antwort einfach: ja, gerade dann. Nach einem einzelnen Kaiseki-Menü hat man zunächst ein großes Fragezeichen zu verdauen, beim zweiten ist man schon schlauer, das dritte schätzt man, das vierte ist zu viel, beim fünften weiß man wieder, worauf es ankommt und wünscht sich das sechste.

Kaiseki-Restaurants

Vereinfacht gesagt bezeichnet Kaiseki (懐石) heutzutage ein mehrgängiges Mahl, also ein Menü, bestehend aus vielen kleinen Gerichten mit sorgfältig ausgewählten und ausbalancierten Produkten, die mühevoll angerichtet sind und auf kostbarem, zur Saison und jeweiligen Speise passendem Geschirr serviert werden. Die Reihenfolge der Speisen, die Auswahl des Geschirrs und eine ästhetische Präsentation spielen eine wesentliche Rolle bei einem Kaiseki-Mahl. Es ist die höchste Form der japanischen Küche, deren Ursprung auf Zen-Mönche zurückgeht.

Kulinarisch betrachtet ist das Essen sehr leicht, extrem saisonal, besteht aus viel Gemüse, viel Flüssigkeit, Fisch, verzichtet nahezu vollständig auf Kohlenhydrate, Kräuter, Gewürze, Fleisch und Fette. Dadurch ist die Küche für unseren westlich geprägten Gaumen geschmacklich zunächst sehr zurückhaltend. Die Küche spricht viel stärker die fünf Grundgeschmacksrichtungen sowie die Wahrnehmung von Texturen an als das bei den meisten anderen Küche der Fall ist, wo viel mehr Aromaten wie Gewürze und Kräuter verwendet werden. Diese Schlankheit ist ungewohnt, aber faszinierend bis ins Mark, denn man muss viel genauer „hinschmecken“. Man muss sich Mühe geben. Man muss dabei umdenken und den Produkten und dem Handwerk sehr viel Aufmerksamkeit schenken. Diese scheinbar genusswidrigen Umstände führen dazu, dass man alle Speisen sehr bewusst wahrnimmt und auf Wesentliches achtet.

Das ist nicht alles Gold. Manchmal fühlt es sich bei einigen Gerichten so an als äße man zum x-ten Mal einen Teller heißen Wassers und eine Schüssel Reis. Wie mein Esskollege Andy Hayler einmal treffend schrieb: „Es gibt Grenzen hinsichtlich der Antwort auf die Frage, wie spannend eine Schüssel Reis sein kann.“

Die Grenzen gibt es, aber es ist spannend und lehrreich, sie zu erkunden. Mit „klassischen Genussmomenten“ wird man auch belohnt, oft genug.

Mich hat diese Küche aufgewühlt und so bereichert wie wenige sonst. Für den durchschnittlichen deutschen Gelegenheitsfeinschmecker ist das aber nichts. Damit beziehe ich mich nicht auf die Frequenz des Essengehens in Spitzenrestaurants, sondern auf eine persönlich empfundene Genügsamkeit. Wer aus einem klassischen deutschen Gourmet-Hotelrestaurant zufrieden hinausspaziert, weil man einen „schönen Abend“ hatte, und das dann als Inbegriff von guter Küche für sich abgespeichert hat, wird hier nicht glücklich. Man muss Produktfanatiker und Purist sein, um diese Küche zu schätzen. Japaner sind das sowieso. Akribie und Demut sind tief in ihrer Kultur verwurzelt.

Auch gastronomisch muss man bereit sein, in eine völlig andere Welt einzutreten. In dieser Welt geht es nicht um Geselligkeit, sondern um Privatsphäre, Diskretion, Respekt und Rituale. Bereits der Ort, an dem man ein Kaiseki-Mahl zu sich nimmt, ist mit einem Restaurant wie wir es kennen, kaum vergleichbar. Die Wirtshäuser sind alle sehr alt, aber sehr gepflegt. Die Architektur besteht aus viel hellem Holz, Bambus und Papier – eine Kombination, die einen charakteristischen, holzigen Geruch aufweist, der einen immer als erstes empfängt, wenn man ein solches Haus betritt.

Die Dimensionen sind auch alle an die japanische Welt angepasst: alles ist spürbar ein bisschen kleiner als bei uns. Man hat das Gefühl, eine Miniaturwelt zu betreten. Diese betritt man stets ohne Schuhe. Es ist auch gar nicht vorstellbar, dass man seinen Straßendreck in diese helle, saubere Atmosphäre hineintragen sollte, wo auch noch Essen serviert wird.

Die Zimmer, in denen man isst, haben meist nicht mehr Einrichtung als einen langen, oft schwarzen, rechteckigen Tisch in der Mitte, der häufig sehr flach ist und an dem man manchmal recht unbequem auf Sitzkissen Platz nimmt. Häufig ist aber auch der Fußboden ausgespart, sodass man eine normale Sitzposition einnehmen kann. Ein Heizlüfter sorgt um diese Jahreszeit gerne für ein ungünstig heißes und trockenes Raumklima, befeuchtende und abschwellende Nasensprays mitzubringen ist dann keine schlechte Idee, wenn man noch etwas von seinem Essen mitbekommen möchte.

Weinkarten und Aperitif? Fehlanzeige. Man trinkt hier Bier und Sake, und fast immer reichen diese Angaben auch schon, damit das Personal nickend, sich bedankend und verneigend wieder verschwindet. Eine große Auswahl ist entweder nicht vorhanden oder nur auf ausdrückliche Nachfrage erhältlich. Am Ende ist man mit Haus-Bier und Haus-Sake aber auch gut bedient. Man gewöhnt sich daran. Die wenigen Restaurants, die inzwischen auch über die Grenzen Japans berühmt sind, wie z. B. Kitcho und Kikunoi, und solche Gäste anlocken, die über den Concierge ihrer schwarzen Kreditkarten hier Reservierungen ergattern, halten dann schon mal ein paar Bouteillen Grand-Cru-Burgunder und Premier-Cru-Bordeaux zum Preis eines Kleinwagens bereit. Selber schuld, wer das hier bestellt. Es gibt wenige Küchen, zu denen teurer Rotwein derart schlecht passt.

Detailliertere Erlebnisse aus der faszinierenden Welt dieser Restaurants folgen dann in den Einzelberichten.

Weiter ging meine Reise nach Osaka.

Osaka

Die drittgrößte Stadt Japans hat mich nicht zu sehr begeistert, aber ich wollte hier auch nur zwei Drei-Sterne-Restaurants „abhaken“ und schon mal etwas Großstadtluft schnuppern, bevor es nach Tokio weiterging. Die Küche in beiden Restaurants – Koryu und Taian – ist „japanisch“ und beinhaltet damit viele Elemente aus der Kaiseki-Küche, die ja auch nur eine hochstilisierte Form der japanischen Küche ist. Viele Zutaten entdeckt man über diverse Küchenrichtungen ohnehin immer wieder.

Beide Restaurants sind Tresenrestaurants, was nach dem Kaiseki-Marathon in Kyoto wie eine willkommene Abwechslung erschien. Leider waren beide Erlebnisse ein regelrechter Schock. Anstatt herzlicher Gastfreundschaft in gepflegter Umgebung gab es im Koryu einen mediengeilen Küchenchef (es fanden dort gerade Filmaufnahmen statt, was er sichtlich genoss), mäßig genießbares Essen und lauter kranke Köche, die ungeschützt durch die Gegend geniest haben.

Das ist Japan überhaupt ein sehr befremdliches Thema, das gar nicht zur sonstigen Ästhetik und dem Anstandsempfinden passt. Man sieht zwar sehr viele Leute mit Mundschutz herumlaufen, der auch an jeder Ecke verteilt und verkauft wird, aber dieser wird häufig wegen weitverbreiteter Pollenallergien getragen anstatt als eine Maßnahme gegen Atemwegsinfektionen. Ein Hygienebewusstsein in dieser Hinsicht ist überhaupt nicht vorhanden. Geniest und „hochgezogen“ wird überall und regelmäßig. Wenn das dann noch direkt vor einem die Köche machen, die einem das Essen servieren, ist das abstoßend.

Im zweiten Restaurant war es skurrilerweise genau dasselbe. Essen mäßig, Atmosphäre eher aus Plastik, alle krank und niesend. Schnell weiter nach Tokio!

Tokio

Ich habe diese Stadt sehr vermisst, das Lost in Translation-Gefühl im Hotel Park Hyatt, den Spaziergang im Park vor dem Kaiserpalast, die Dämmerung, wenn alle Hochhäuser anfangen, rot zu blinken – Tausende davon, bis zum Horizont –, und das Essen. Tokio als Mega-Stadt mit über 20 Millionen Einwohnern und geschätzt fast hunderttausend Restaurants bietet natürlich alle möglichen Küchen an, aber Sushi ist hier das große Thema.

Für die nächsten 48 Stunden wollte ich noch einmal den alten Meister Jiro Ono besuchen – vielleicht ist das die letzte Möglichkeit –, dann seinen zweiten Sohn in Roppongi, und das legendäre Restaurant Saito, das von einer Location in einem Parkhaus inzwischen in ein modernes Geschäftsgebäude umgezogen ist, fast unmöglich zu reservieren ist, aber dem unter Foodies einstimmig nicht weniger als der Ruf vorauseilt, das beste Sushi-Restaurant überhaupt zu sein.

Viele, die das hören, würden zunächst wohl zu Mäßigung aufrufen. Ist das wirklich so? Nur, weil alle das sagen? Meine Antwort fällt eindeutig aus: ja, es war überwältigend. Nicht, weil alles das sagen, sondern weil es so ist. Die Zutaten waren noch fantastischer als bereits die besten, die ich in dieser Form kannte, noch geschickter geschnitten, noch besser präsentiert. Der Bericht folgt.

Am letzten Abend hatte ich noch eine Reservierung im französischen Restaurant L’Osier, das früher mal mit drei Sternen ausgezeichnet war, seit längerem aber „nur“ noch mit zweien. Ich habe diese Reservierung zugunsten des Ausblicks auf die Stadt und richtigem comfort food storniert – eine zutiefst befriedigende Entscheidung.

Inzwischen bin ich wieder in Deutschland angekommen, aber ich könnte mich glatt schon wieder in ein Flugzeug setzen. Es gibt noch so viel zu entdecken.