The Modern – nach Seerosen Seeigel

Der Gedanke daran, in einem Museum zu speisen, ging bei mir bislang einher mit säuerlichen Gerüchen nach unappetitlichem Kantinenessen, in Lochfolie eingepackte Sandwiches oder schlechtem Kuchen. Dass mich so etwas im New Yorker MoMA nicht erwartet, war von vornherein klar.

Nach einem wie immer beeindruckenden und bereichernden Rundgang durch die verschiedenen Etagen des Museums, knurrt mein Magen. Über die reichhaltigen Eindrücke der Werke von Picasso, Monet, van Gogh, Hopper und diversen weiteren lässt sich bestimmt gut bei einem Essen reflektieren, denke ich mir, und gehe ohne Reservierung hinunter ins The Modern im Erdgeschoss. Erst kurz zuvor hatte ich überhaupt entdeckt, dass das MoMA ein Restaurant mit Michelin-Stern beherbergt. Da ein solcher wie ein Magnet auf mich wirkt, kann ich gar nicht anders als diesen ungeplanten Abstecher für ein kurzes Mittagessen zu machen. Ich gebe zu, dass ich hierfür sogar die Sonderausstellung über den genialen Surrealisten René Magritte (mit langer Warteschlange) habe sausen lassen. Mea culpa!

Als ich zum Eingangsbereich des The Modern gelange, staune ich nicht schlecht. Anstatt eines stillen, formalen Speisesaals, den ich komischerweise hier erwartete, empfängt mich eine quirlige Atmosphäre mit weit über zweihundert Essern. Ich stelle fest, dass das Restaurant in drei ineinander übergehende Bereiche aufgeteilt ist: zum einen ein Sitzbereich am langen Bartresen, dann, mit den meisten Tischen, ein kantinenähnlicher Bereich – sowie einem tatsächlich ebenfalls vorhandenen fine-dining-Saal mit weißen Tischtüchern und Blick auf den Skulpturgarten. Das Sympathischste an allem: die Speisekarte ist überall identisch.

Nach etwas Wartezeit, die ich mir mit einem Glas Viognier(Domaine Gramenon „La vie on y est“, 2012, $ 23/€ 18) versüße, ergattere ich schließlich einen Platz am Tresen (hatte ich ohnehin bevorzugt). Die Speisekarte ist ein Sammelsurium süffig klingender Gerichte, die ich sofort einem für mich typischen „gehobenen Amerikanischen“ Stil zuordne: diese gefällige Mischung aus französischer Küche mit Einflüssen aus Italien und Spanien und einer schwer zu erklärenden Leichtigkeit, bei der immer die Aussage „wir wissen genau, was gut schmeckt“ mitschwingt. Meistens haben sie Recht.

Ich habe leider nicht allzu viel Zeit und bestelle daher zwei Gänge. Als erstes ein pochiertes Ei im Glas mit Hummer aus Maine, Holzraslingen und Seeigelschaum (Slow-Poached Farm Egg In a Jar, $ 25/€ 19). Einwandfreie Produkte in einem stimmigen, sämig-herzhaften Ensemble. Sehr gut! Ohne Frage muss man an solch ein schmackhaftes Gericht einen Stern anheften. Ich löffle das Glas restlos aus und gönne mir noch ein Glas aus der hervorragenden Weinkarte, diesmal einen HdV Hyde Vineyard Chardonnay 2009 ($ 29/€ 22), ganz gleich, ob ein Roter zu meinem nächsten Gang objektiv besser gepasst hätte.

Ich genieße die Atmosphäre. Der Platz am Tresen ist wunderbar: vor mir Brot, Butter, Speisen, Wein und freundliche Kellner, hinter mir die lebhafte Stimmung. Es kommt ein bisschen Atelier-Charakter auf.

Es geht weiter mit Double Lamb Chop ($ 35/€ 27). Zu zwei makellos gegrillten, saftigen Lammkoteletts von vorzüglicher Qualität gibt es Radicchio, Kichererbsen-Croquette und einen Koriander-Basilikum-Jus. Das Gericht hat eine dezente orientalische Note und gefällt mir ausnahmslos – wie könnte es auch nicht, wenn ein so tolles Produkt im Mittelpunkt steht? Die Knochen putze ich blitzblank, selbstverständlich unter Zuhilfenahme meiner Hände. Alles andere wäre Frevel.

Das war’s dann auch schon! Doch das kurze Mahl hatte es in sich und zeigt erneut, was passiert, wenn man hervorragende Produkte mit Leidenschaft, Lockerheit und einem weltgewandten Publikum verbindet. Und beim nächsten Ma(h)l verschmähe ich weder Magritte noch Dessert, versprochen.

Informationen zu diesem Besuch
Restaurant: The Modern (→ Website)
Chef de Cuisine: Gabriel Kreuther
Ort: New York City, USA
Datum dieses Besuchs: 14.10.2013
Guide Michelin (NYC 2014): *
Meine Bewertung dieses Essens 7 (Was bedeutet das?)