Trois Mec – und weg

In Los Angeles gibt es eine Menge Leute mit viel zu viel Geld, aber nur wenig Leute mit viel Geschmack, was wohl einer der Gründe ist, warum es hier verhältnismäßig wenig hervorragende Restaurants gibt. Auch der Michelin hat sich hier schon lange zurückgezogen und hinterließ damit eine sternelose Stadt. (Nachtrag: Sieben Jahre später hat sich Blatt längst gewendet.)

Konsultiert man andere einschlägige Medien wie etwa die Los Angeles Times oder den Zagat, gibt es jedoch einen Konsens hinsichtlich der besten Restaurants der Stadt. Regelmäßig dabei: das Trois Mec.

Trois Mec ist Französisch, bedeutet „drei Typen“ und ist laut eigener Website absichtlich falsch geschrieben (nämlich ohne letztes Plural-s). Warum, erfährt man nicht. Ich vermute, dass die meisten Gäste es sonst falsch aussprechen würden, nämlich „Trois Mex“, was sich dann nach einer dieser mexikanischen Buden anhören würde, die es in LA schließlich schon zu Genüge gibt.

Darüber hinaus bemüht man sich auch sonst darum, aufzufallen, nämlich mit einem obercoolen, als Pizzeria getarnten Eingang, einem zweifelhaften Standort auf irgendeinem Parkplatzgelände und einem Vorabverkauf von Tickets (ca. $85), die weggehen wie warme Semmeln. Der letzte Schrei eben.

Keine Frage, viele Restaurants mit vergleichbaren Attitüden halten einem solchen Hype auch kulinarisch Stand. Momofuku Ko oder Blanca in New York sind beste Beispiele dafür. Das Tois Mec, so viel sei jetzt schon verraten, wird mir nicht in solch blendender Erinnerung bleiben, aus einem ganz einfachen Grund: das komplette Menü wird einem hier innerhalb von 55 Minuten hineingepfercht als würde man zwangsernährt. Als der letzte Gang serviert wird, ist meine zweihundert Dollar teure Weinflasche noch halb voll und ich dem Erbrechen nahe.

Dabei sind die Speisen des Abends für sich betrachtet gar nicht mal schlecht.

Das Menü beginnt mit einer Miso-Crème-brûlée, begleitet von einem knackig frischen Salat mit Kräutern, sowie an Kellogg’s Smacks erinnernde Getreide-Knabbereien. Das ist alles recht fein, und man freut sich, wie es weitergeht.

Mit noch angemessenem Abstand folgt ein Arrangement mit rohen und eingelegten Gemüsen, Zatar und einer erfrischend säuerlichen Creme. Ziemlich gut die Komposition und makellos frisch die Zutaten.

Eine exzellente Produktdarbietung ist auch der nächste Gang mit heirloom tomato (ein Begriff für ältere Tomatensorten), serviert mit einem Puder von getrockneten Shrimps und Röstzwiebeln, Cocktailsauce und Zitrone. Ein Gang, der eindrucksvoll die extrem hohe Qualität der in dieser Region verfügbaren Tomaten zeigt: saftig, süß, vollmundig.

Trotz der kleinen Portionen macht sich bereits jetzt der Einsatz von schweren Cremes bemerkbar, die bisher in jedem Gericht zur Anwendung kommen.

Man möchte kurz verschnaufen, den Wein genießen und die Atmosphäre auf sich wirken lassen, doch es geht prompt weiter, …

… nämlich mit gegrilltem Mais als Schaum und als Körner, dazu Königskrabbe, flüssigen Mimolette-Käse und Szechuan-Pfeffer, letzterer die spannendste Komponente dieses Gerichts, weil er auf die Mundschleimhäute nicht nur ätherisch, sondern betäubend wirkt. Dieser Kick am Gaumen ist sicher nicht jedermanns Sache, aber in diesem Moment gefällt mir das, vielleicht, weil es ein interessanter Gegenpol zur äußerst kritischen Süße dieses Gerichts ist (eine Sache, die ich außerhalb von Desserts scheue, genau dort jedoch erwarte). Davon abgesehen liegt das Gericht durch die Maiscreme und den geschmolzene Käse ebenfalls recht schwer im Magen.

Keine vier Minuten später steht die nächste Creme auf dem Tisch, dieses Mal hergestellt aus weißer Schokolade und Kartoffeln. Dazu gibt es karamellisierten Aal. Und spätestens jetzt kippt das Menü auch qualitativ. Dieser Gang ist erneut extrem süß und stopft noch mehr. Aufessen kann man den ganzen Schaum nicht.

Es folgt gereiftes japanisches Rind mit Basilikum, schwarzem Knoblauch und gegrilltem Auberginenkaviar. Das Fleisch ist fettig und zäh, und das gesamte Gericht schmeckt irgendwie nach verbranntem Plastik. Völlig ungenießbar.

Das Dessert ist eine Art Milchreis mit brauner Butter und Eigelb. Wenngleich ich objektiv sagen muss, dass der Milchreis an sich gut gekocht ist: wer kann sich an dieser Stelle jetzt bitte noch so eine Masse einverleiben? Mit Butter und Ei!

Ich kann nicht mehr. Die ganzen schaumigen Cremes haben mich mehr gesättigt als ein fünfstündiges Menü in 20 Gängen. Rien ne va plus, erst recht nicht die Mignardises in Form von mit, wär hätte das gedacht, verschiedenen Cremes gefülltem Gebäck. Während man noch an irgendetwas kaut, kommt die Rechnung. Man möchte doch nichts mehr, oder?

Jetzt verstehe ich auch, warum es in der Reservierungsbestätigung hieß, es seien zwei Stunden fürs Essen vorgesehen: eine fürs Essen, die andere, um zu verdauen. Aber dann kann man endlich weg, es wird auch Zeit.

Informationen zu diesem Besuch
Restaurant: Trois Mec (→ Website)
Chef de Cuisine: Ludo Lefebvre
Ort: Los Angeles, USA
Datum dieses Besuchs: 03.08.2015
Guide Michelin: nicht in Michelin-Region
Meine Bewertung dieses Essens 6,5