Neue Sterne 2017 – alle verdient!

Man verzeihe mir diesen reißerischen Titel. Es gibt hier noch keine Liste der neuen Michelin-Sterne für 2017. Diese werden vom Michelin erst am Abend des 1. Dezember kommuniziert und sind am nächsten Tag dann in üblicher Form im Buchhandel zu finden.

Auch beteilige ich mich regelmäßig nicht an Spekulationen, welches Restaurant in Deutschland eventuell eine höhere oder niedrigere Auszeichnung im Guide Michelin bekommen wird. Hierfür habe ich gar keinen Überblick über alle Restaurants dieses Landes. Der aktuelle Guide Michelin Deutschland 2016 empfiehlt allein über 2.300 Restaurants. Viele von denen könnten auf- oder abgewertet werden; hinzu kommen neue, wie jedes Jahr, und wiederum andere fallen raus.

Stöbert man derzeit auf einschlägigen Food-Websites und -Social-Media-Seiten, wird sehr viel spekuliert. Diese Spekulationen zielen allerdings häufig so an der Realität vorbei, dass mir danach ist, für etwas Klarheit zu sorgen.

Die vorwiegende Begründung vieler Spekulanten, warum ein Restaurant neue Sterne erhalten sollte, ist meist, dass ein bestimmter Küchenchef die Sterne „verdient“ hätte. Als wären die Sterne eine Auszeichnung für harte Arbeit in der Küche.

Diese Annahme ist jedoch falsch. Denn Michelin-Sterne sind zwar nicht ohne harte Arbeit zu erlangen, aber harte Arbeit führt nicht automatisch zu Michelin-Sternen. Es ist auch unerheblich, ob der Service sich in diesem Jahr besonders hart ins Zeug gelegt hat; unerheblich, ob die Weinkarte viel schlüssiger ist als im Jahr zuvor; unerheblich, ob Geld in die Vergoldung der Wasserhähne geflossen ist; unerheblich, ob das Geschirr hochwertiger als im Vorjahr ist und unerheblich, wie lange jeder aus dem Küchenteam mühevoll in der Küche stand. Das ist bedauerlich, aber die Wahrheit.

Ginge es danach, hätten tausende Restaurants in Deutschland Sterne „verdient“. Einen Stern mindestens, zehn Sterne eigentlich. Überall wird hart gearbeitet. Überall engagieren sich motivierte Mitarbeiter für das Wohl der Gäste. In vielen Küchen fließen Schweiß, Blut und Tränen. Wir können all diesen Menschen dankbar sein. Aber Michelin-Sterne „verdienen“ sie deshalb trotzdem nicht.

Der Michelin zeichnet Restaurants mit Sternen aus, bei denen eine besonders gute kulinarische Leistung auf dem Teller zu finden ist. Der Maßstab für diese kulinarische Leistung ergibt sich aus einem sehr großen Erfahrungsschatz der Restauranttester auf internationaler Ebene. Tagein, tagaus reisen die so genannten Inspektoren durch die Welt und begutachten Restaurants und Hotels: Raststätten, Imbisse, Luxusrestaurants, Landgasthöfe, Boutique-Hotels, Absteigen. Wer sich ein Bild davon machen möchte, wie ermüdend und wenig elitär dieser Job ist, dem lege ich das (inzwischen vergriffene) Buch L'inspecteur se met à table von Pascal Remy ans Herz, in dem ein ehemaliger Michelin-Tester richtig auspackt. Auch ich habe schon Michelin-Inspektoren bei der Arbeit beobachten können. Und die haben ganz sicher nicht nachgesehen, wie hart in der Küche gearbeitet wird. Die saßen einfach an ihrem Platz und haben gegessen. Auf der Visitenkarte steht nicht ihr Name, sondern „Redaktion Deutschland“, das blaue Konzernlogo des Reifenherstellers daneben.

Was ich damit sagen möchte: Liebe Restaurantteams, ihr alle habt leuchtende Himmelskörper aller Art für eure Arbeit verdient. Hunderte davon! Aber Michelin-Sterne habt ihr erst dann verdient, wenn euer Küchenchef eine bestimmte Qualität auf den Teller bringt, die sich international mit anderen Restaurants auf diesem Niveau messen lässt. Und liebe Spekulierende: drei Sterne hier und drei Sterne dort zu fordern, macht vermutlich vielen Küchenteams unberechtigte Hoffnungen. In der aktuellen Guide-Michelin-Saison 2017 sind bereits zwölf Ausgaben erschienen: für Shanghai, Großbritannien & Irland, Schweiz, Washington D.C., San Francisco, Chicago, Seoul, Hongkong, Italien, New York City, Belgien & Luxemburg, Spanien & Portugal. Es gab in all diesen Städten und Ländern insgesamt gerade mal fünf Restaurants, die neu mit drei Sternen ausgezeichnet wurden. Und das ist schon viel. Wer beim Spekulieren allein in Berlin, Hamburg und München acht neue Drei-Sterne-Restaurants fordert, ist sich einfach nicht bewusst, zu welcher kulinarischen Liga solche Restaurants gehören.

Fotomontage, Hintergrund Copyright (C) MICHELIN

Und jetzt entspannen wir uns, fiebern mit und harren der Dinge bis Donnerstag. Schon irgendwelche Ideen?