Kitcho Arashiyama Honten – Schafskopf-Lippfisch und Silberner Pampel

In Arashiyama, dem hügeligen Westen von Kyoto, begegnet man einer märchenhaften Landschaft mit üppiger Vegetation. Parks laden zu Spaziergängen ein, die bei Eintritt der Dämmerung angenehm gruselig sind. Unten am Fluss leuchten ein paar Lichter in warmem Orange. Da muss ich jetzt hin, ins Kitcho Arashiyama Honten (manchmal auch Kyoto Kitcho Arashiyama, Kyoto Kitcho oder Kitcho Kyoto genannt).

Das Restaurant ist die Hauptfiliale („Honten“) einer inzwischen aus sechs Restaurants bestehenden Gruppe, die 1930 von Gründer Teiichi Yuki mit einem Restaurant in Osaka gestartet wurde. 1948 eröffnete er dann dieses Restaurant in Kyoto, welches auf dem Verständnis der traditionellen Kaiseki-Teezeremonie fußt. Aktueller Inhaber und Küchenchef ist Kunio Tokuoka, in dritter Generation.

Das Kitcho kann mit lauter Superlativen beschrieben werden: der Guide Michelin zeichnet die Küche mit drei Sternen aus und beschreibt das Ambiente mit fünf roten Bestecksymbolen, die für höchsten und besonders angenehmen Komfort und Luxus stehen. Darüber hinaus wird das Restaurant regelmäßig als teuerstes der Welt bezeichnet. Letzteres ist relativ, denn wie in jedem Kaiseki-Restaurant gibt es auch hier verschiedene Menüoptionen. Die teuerste klettert hier allerdings auf schwindelerregende neunzigtausend Yen, was einem Menüpreis von ca. € 765 entspricht.

Wann dieser Preis jedoch wirklich aufgerufen wird, ist vermutlich auch davon abhängig, ob man explizit nach teuersten Zutaten fragt. Ich hatte bei meiner Reservierung kein Preislimit vorgegeben, und mein Menü wird später „nur“ mit ¥ 53.000 zzgl. 20 % Servicegebühr berechnet (ca. € 540).

Der Speisesaal ist recht groß und klassisch eingerichtet. Man sitzt direkt auf den Tatami-Matten. Das einzige Hilfsaccessoire für westliche Gäste ist eine Art Stuhl ohne Beine, an den man sich anlehnen kann. Diese Sitzposition dürfte vor allem für korpulente Russen problematisch werden, für die vermutlich die mit vier Millionen Yen (ca. € 34.000) gelisteten Flaschen Romanée-Conti hier vorgehalten werden. Nach ein paar Tagen Bier und Sake habe ich allerdings auch Lust auf Wein und nutze die seltene Gelegenheit hier, in einer Weinkarte zu stöbern. Neben den großen Namen aus Bordeaux und Burgund ist hier wenig Interessantes zu finden. Ich wähle einen recht simplen Chablis von der Domaine Drouhin (2014 Réserve de Vaudan, ca. € 94).

Die Atmosphäre in dem Raum ist, bis auf einen Heizlüfter, sehr angenehm. Die Materialien sind hochwertig, und man hat sogar einen Ausblick auf den Garten, was selten für Kaiskei-Restaurants ist. Auch das Personal ist sehr freundlich und reicht zu Beginn einen Tee mit Reis.

Die ersten Speisen sind ein Arrangement mit knackig frischen Gemüsen und Seegurkenrogen: sehr frisch, sehr präzise, der Rogen ist immer noch ziemlich ekelerregend, gibt aber eine leichte Salzigkeit an das Gemüse ab (6,9/10); ein zweites Schälchen enthält ein Omelett mit Icefish, kleinen stintartigen Fischen mit großen Augen. Nach westlichem Geschmack fehlt dazu ein Töpfchen Fleur de Sel – aber eben nur nach westlichem Geschmack. Die Fische fügen dem cremigen Ei jedoch einen interessanten, leicht jodigen Charakter hinzu. Eine sehr gelungene Eierspeise. (7,5/10).

Es folgt die obligatorische Suppe, hier mit Muscheln, Sesampudding und Alge. Sie ist vom Handwerk und Geschmack mit der exzellenten Suppe aus dem Nakamura von heute Mittag vergleichbar und bietet feine Aromen und einen reinen, klaren Geschmack. (8/10)

Als nächstes folgt Sashimi vom Kobudai, auf Deutsch Schafskopf-Lippfisch, ein nach meinen Recherchen auch in Japan recht seltenes Tier – und damit vermutlich eine exquisite Delikatesse. Das Sashimi ist überragend frisch, recht mager und geschmacklich eher zurückhaltend. Dazu gibt es Yamswurzel, Frühlingszwiebel und frittierten Seetang, mit denen man das Sashimi anreichern kann. Zwei Sojasaucen – eine mit Dashi, die andere mit Chili kombiniert – komplettieren das einwandfreie Arrangement. (8/10)

Weiter geht es mit Toro-Sushi, einem Nigiri mit fettigem Thunfischbauch auf Weltklasseniveau. Es schmerzt, zu wissen, wie sehr ich diese Speise bei uns vermissen werde. (9/10)

Im hinteren Teil des Raums wird jetzt ein kleiner Tisch mit einem portablen Holzkohlegrill aufgebaut. Ein Koch grillt dort Teile einer Königskrabbe. Gespannt beobachte ich die Zeremonie, bei der das Grillgut mit einem Tuch, das mit Wasser besprüht wird, abgedeckt wird. Der Krebs wird auf diese Weise eher gedämpft als gegrillt.

Das Ergebnis sind dann ein paar Stücke Königskrabbe, deren Fleisch man aus den bereits „vorgebrochenen“ Stücken herauspult. Ein gutes, pures Produkt, mehr aber auch nicht. (6,5/10)

In dieser Sitzposition schlafen meine Beine inzwischen immer wieder mal ein. Das ist lästig und deckt sich nur bedingt mit meinem Verständnis von größtmöglichem Luxus. Andere Länder …

Es folgt Hassun, ein spezielles saisonales Arrangement, wie ich es auch schon aus den Kaiseki-Restaurants der vergangenen Tage kenne.

Den Frühling thematisierend – optisch und kulinarisch – gibt es in verschiedenen Schälchen eine Reihe kleiner Gerichte: Jakobsmuschel mit Essiggelee, Fischleber und Daikon; kleine Tintenfische mit Misopaste; Garnele mit Kaviar; ein bottargaähnliches Stück Rogen; ein Stück Kalbszunge, und weiteres. Man benötigt Offenheit und Neugier für diese Exploration und entdeckt dann objektiv sehr gute Kreationen. Erleichtert bin ich trotzdem, als ich damit fertig bin. Im Schnitt 7,5/10.

Ganz hervorragend ist ein folgendes Gericht mit einem Stück Fisch namens Silberner Pampel, das mit Sojasauce lackiert wurde. Dazu gibt es ein Stück Pilz sowie ein grünes, saftiges Gemüse, das ich nicht näher identifizieren kann. Es wurde frittiert und bereitet mit seiner hauchdünnen, knusprigen Schicht Spaß am Gaumen. Man schmeckt exzellente Qualitäten und merkt das hervorragende Handwerk. (8/10)

Der folgende Gang bietet eine kleine Erfrischung mit einem Arrangement von Yuzu, Bohnen, Karotte und Rettich. (8/10)

Und wer noch nicht satt ist, der bedient sich dann noch einigen sauer eingelegten Gemüsen (6/10) sowie einer Schüssel Reis mit Kugelfisch. Letztere ist sehr schmackhaft, ich komme hinsichtlich der Portion recht weit. (7/10)

Die Krönung des Menüs sind saftige, süße Früchte – Erdbeere, Melone und eine Zitrusfrucht –, die mit einer eierpunschähnlichen Sauce serviert werden. Himmlisch gut! (9/10)

Eine pelzige Süßspeise auf der Basis von Erbse und Yamswurzel, ein Matcha-Tee und noch ein weiterer Tee beenden ein kaiserlich teures Mahl, bei dem sich die Frage, ob sich das lohnt, zumindest mir nicht stellt. Ich bin in Kyoto auf einer extremen kulinarischen Entdeckungsreise und habe die Frage nach dem Nutzen schon vorher für mich geklärt. Morgen Mittag geht es weiter, ich kann es kaum erwarten!

Dieser Artikel ist Teil meiner kulinarischen Reise nach Japan im März 2017, siehe: „Neun Tage Japan, 13 Restaurants, 32 Michelin-Sterne, eine Million Eindrücke“

Informationen zu diesem Besuch
Restaurant: Kitcho Arashiyama Honten (→ Website)
Chef de Cuisine: Kunio Tokuoka
Ort: Kyoto, Japan
Datum dieses Besuchs: 09.03.2017
Guide Michelin (Kyoto/Osaka 2017): ***
Meine Bewertung dieses Essens 7,5 (Was bedeutet das?)
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