Frantzén – Feuer, Butter, Japan und Trüffel

Im Jahr 2008 eröffneten Björn Frantzén und Daniel Lindeberg in Stockholm das Frantzén/Lindeberg, das ich vor knapp fünf Jahren besuchte. Schon damals begeisterte mich dort eine weltoffene, eher weniger „nordische“ Küche mit modernem Gastronomiekonzept. Besonders die Möglichkeit, an einem kleinen Tresen den Köchen bei der Arbeit zuzusehen, war in Europa damals noch recht neu. 2013 verließ Partner Lindeberg das Restaurant, das fortan nur noch Frantzén hieß. Im Sommer letzten Jahres schloss Björn Frantzén das inzwischen mit zwei Michelin-Sternen ausgezeichnete Haus, um genau ein Jahr später sein neues Restaurant zu eröffnen.

Das brandneue Frantzén befindet sich in einem restaurierten Haus in Stockholms Altstadt. Ich bin ein paar Minuten zu spät, weil ein langwieriger Flugzeugtypwechsel am Hamburger Flughafen meinem knapp geplanten Essens-Trip einen Strich durch die Rechnung zu machen drohte.

Ich drücke eine Klingel, und eine freundliche Dame öffnet die Tür zu einer anderen Welt. Schon hier unten am Empfang ist erkennbar, dass jedes Detail darauf ausgelegt ist, dem Gast ein kulinarisch und gastfreundschaftlich einmaliges Erlebnis zu bieten. Das ist heutzutage paradoxerweise auch in einem Restaurant nicht selbstverständlich. Viel zu oft geht es um die Köche selbst und nicht um den Gast.

Im Eingangsbereich bestaunt man große, durchsichtige Kühlkammern mit einigen der Ingredienzen des späteren Menüs. Über einen dunklen Gang, der sicherlich ein bisschen vom Alinea in Chicago inspiriert ist, geht es dann per Fahrstuhl in einen Lounge-Bereich zum Aperitif.

Während ich einen Augenblick später in den gemütlichen Sesseln über das geschmackvolle Interieur staune, bringt einer der smarten Jungs ‒ Kellner kann man so jemanden ja kaum nennen ‒ einen Rollwagen mit Champagner. Einige Details gestalten diesen sonst oft langweiligen Akt, von dem ich sonst eher Abstand nehme, hier außergewöhnlich erfrischend. Erstens gibt es überhaupt schon mal eine exzellente Auswahl an Champagnern, u. a. von Jacques Selosses und Krug. Zweitens werden die (eisgekühlten) Flaschen zunächst stehend präsentiert, kurz mit ihren Eigenschafen beschrieben und auch erst bei der Auswahl durch den Gast geöffnet. Bereits durch diese entspannte Art des Präsentierens wird dem Gast jegliche Hemmung genommen. Es geht hier nicht um eine Auswahl zwischen Mittelmaß und „etwas Besonderem“, wie das bei uns gerne passiert. Hier soll sich der Gast einfach als Gast fühlen. Drittens wird hier auch nicht „null eins“ in ein Glas abgemessen, sondern einfach eine großzügige Menge in ein Zalto-Bordeaux-Glas eingeschenkt und auch wieder aufgefüllt, wenn es sich dem Ende zuneigt. Abgerechnet wird dennoch nur ein Betrag, z. B. faire 450 Kronen (ca. € 45) für meine „Krug“-Auswahl.

Das Prinzip, dass man hier nicht mit kleinlichen Mengen mäßiger Tropfen abgespeist wird, findet man auch in der Weinbegleitung wieder, die offensichtlich auch nicht nach dem Motto „ein Gang, ein Glas“ konzipiert wurde. Stattdessen steht einfach das Öffnen ein paar guter Flaschen im Vordergrund und nicht die ‒ ohnehin völlig überbewertete ‒ „Begleitung“ jedes Gangs. Für umgerechnet ca. € 165 gibt es hier fünf exzellente Weine, die ein Menü von über zehn Speisen begleiten (ca. € 300). Das klingt nach Spaß.

Zum Champagner gibt es erste Snacks.

Ein „Macaron“ mit Sanddornmarmelade, Kürbis und Foie Gras ist sehr präzise zubereitet und eröffnet das Essen bereits außergewöhnlich. Die Textur ist leicht und knusprig, die geschmacklichen Akzente süßlich-fruchtig und ansprechend bitter; kühle, cremige Gänseleber dient als verbindendes Element. Das ist begeisternd (9/10), genauso wie ein knuspriges Röllchen mit frittierten Kartoffelfäden, Felchenrogen, Dill und roter Zwiebel, bei dem erneut eine betörende Knusprigkeit, die überhaupt nicht nach Frittiertem schmeckt, ein herzhaftes, nordisches Geschmacksbild umzingelt (9/10).

Ein Gebäckschälchen mit Yuba (Milchhaut), Entenei, Ahornsirup und Trüffeln von der schwedischen Insel Gotland lässt mich ebenfalls genussvoll die Augen schließen, spätestens als am Gaumen das flüssige, warme Eigelb mit dem erdigen Trüffel zusammenkommt (9/10). Es folgt Chawanmushi (eine Art japanischer Eierstich) mit Zwiebelcreme, Zwiebelbouillon, Mandelcreme und Süßholz – ein kleines Meisterwerk zum Niederknien (10/10). Es setzt den Maßstab für alles Folgende.

Mit dem Glas Wein in der Hand wird man zu einer Anrichte gebeten. Ein weiterer smarter Kerl öffnet dort eine Klappe, in der, auf Eis gelagert, alle Hauptzutaten des heutigen Menüs präsentiert werden. Diese Idee ist einfach, aber grandios. Was gibt es Wichtigeres als die Zutaten? Eine derartige Präsentation nimmt kein Blatt vor den Mund und schafft Vertrauen. Auch toll an dieser Idee: man muss während des Essens nicht alles erläutert bekommen und kann sich aufs Genießen konzentrieren.

Die hier präsentierten Produkte sind schon mit bloßem Auge als Spitzenklasse identifizierbar. Kaisergranat von prächtiger Farbe und Größe, japanisches Wagyu der höchsten Kategorie A5, daneben ein schwedisches Äquivalent, schwarzer und weißer Trüffel, überfrische Jakobsmuscheln, Seeigel, Kaviar, Krebsscheren, eine Wachtel … Sogar eine frische Yuzu ist dabei, was mich am meisten beeindruckt. Ihr Duft könnte direkt in Parfumflakons abgefüllt werden.

Nach dieser einnehmenden Ouvertüre geht es eine weitere Etage nach oben ins eigentliche Restaurant. Die Atmosphäre ist spektakulär. Ein rechtwinkliger Tresen rahmt eine betriebsame Küche ein, in der Kupfertöpfe auf schweren Herdplatten stehen, und bei der hinten rechts Geflügel über offenem Feuer schmort. Das Personal ist jung und international, es wird Englisch gesprochen. Das Interieur wirkt wie eine Schnittmenge aus den amerikanischen Restaurants Saison und Chef’s Table at Brooklyn Fare. Ich habe mich selten so schnell so wohl in einem Restaurant gefühlt.

Für die Weinbegleitung wird der erste Korken gezogen. Dies geschieht für jeden „Tisch“ (d. h. für jede zusammenhängende Reservierung) individuell. Niemand Fremdes muss sich auf diese Weise eine Flasche teilen. Das ist eine Geste, die zwar für den Genuss nicht wichtig ist, die aber für ein sehr individuelles Erlebnis sorgt. Der erste Wein, der geöffnet wird, ist ein exzellenter 2016 Scharzhofberger Riesling Kabinett von Egon Müller.

Es gibt rohe Stückchen Jakobsmuschel, dazu dünne, eingelegte Radieschenscheiben, Meerrettich und eine Mayonnaise mit dem Rogen der Muschel. Man isst diese Speise, wie alle hier, mit Stäbchen. Die Qualität der Muschel, die sich zwischen den Radieschen versteckt, ist prägend. Jakobsmuschel ist ein Produkt, das mich nur in den allerbesten Qualitäten überzeugen kann (mäßige Exemplare schmecken oft muffig und „fischig“), roh ist das Thema noch einmal schwieriger. Diese Muschel ist kühl, „klar“ und nussig, die Sauce mit dem Rogen umso jodiger und intensiver. Radieschen und Rettich bringen einen animierenden, säurebetonten Gegenpol. Alle Geschmacksempfindungen werden angesprochen, es herrscht absoluter Wohlgeschmack. (10/10)

Als nächstes gießen Köche eine Vinaigrette mit französischem Olivenöl in ein Glas, die mit gerösteten Knochen vom Seesaibling aromatisiert wurde und hierdurch einen Duft nach entferntem Lagerfeuer trägt. In dem Glas befindet sich Tartar vom gleichen Fisch, darauf Kaviar („Rossini Prestige Selection“) sowie Algen, die ein wenig nach Frühlingszwiebel schmecken. Auch dieses Gericht ist eine Sensation. Es schmeckt nach Meer, Salz und Räucherschinken. Die Qualitäten brillieren wie ein Diamant. (10/10)

Für den nächsten Geniestreich ‒ denn es scheint jetzt schon so als hielte die Küche nur solche bereit ‒ gibt es einen der prachtvollsten Kaisergranate, die ich je gesehen habe. Er wurde wie ein übergroßes Stück Nigiri-Sushi auf wertvollem Koshihikari-Reis gebettet und dann, zusammen mit dem Reis, genau zwölf Sekunden lang frittiert. Durch diese kurze Zeit in starker Hitze ist das Krustentier perfekt gegart, und der Reis hat eine kurzweilige, knusprige Textur wie Puffreis.

Diesen bereits grandiosen Fingersnack stippt man in eine cremige Emulsion von mit Ingwer aromatisierter und mit Pulver von getrockneten grünen Zwiebeln geklärter Butter. Der Kaisergranat ist heiß und saftig, mit süßlich-nussigem Geschmack, die Creme dazu ist üppig und herzhaft und viel zu schnell verputzt, so viel Zeit man sich auch nimmt. Warmes Rosenwasser reinigt die Finger von den kostbaren Resten einer Speise mit extravaganten, selten erlebbaren Zutaten. (10/10)

Ein Bier wird eingeschenkt (Kuma Beer). Es ist ein speziell für dieses Restaurant hergestelltes japanisches Lager, das mit einem Anteil Reis gebraut wird. Es passt gut zur Situation „zwischen den Gängen“. Ich gelange ins Gespräch mit Köchen, genieße den Blick in das umtriebige, koordinierte Treiben in der Küche, aus der trotz offenen Feuers und Frittierens kein störender Geruch zu den Gästen vordringt. Es ist hier wirklich für jedes Detail gesorgt.

Der folgende Gang hat ausgelöstes Fleisch von über Birkenholz gegrillter Königskrabbe als Hauptzutat. Dazu gibt es eine scharfe Sauce, die so ähnlich wie die chinesische „XO-Sauce“ hergestellt wurde, aber deutlich feiner im Geschmack ist, weil sie anstatt mit Garnelen mit dem Fleisch des edlen Krebstiers hergestellt wurde. Die Schärfe zu dem feinen Krebsfleisch ist hemmungslos und genau deshalb exzellent. Das Fruchtfleisch von Australischer Fingerlimette fügt dem Ensemble eine kühlende Ebene hinzu, Chrysanthemenblätter eine blumige Bitterkeit. Alles ist perfekt zubereitet, geschmacklich äußerst feinsinnig kombiniert und von bester Qualität. (10/10)

Inzwischen steht ein weiterer Wein auf dem Tisch, ein sehr guter 2014er Corton von der Domaine Chandon de Briailles aus Burgund.

Kulinarisch geht es mit Steinbutt weiter. Dieser wurde im Ofen gegart und weist eine perlmuttfarben schimmernde Oberfläche auf, was auf einen besonderen Reifungsprozess hinweist. Das Reifen von Fisch ist nicht etwa mit nachlässigem Liegenlassen zu verwechseln. Vielmehr handelt es sich um eine recht aufwändige und in Japan sehr verbreitete Prozedur, um den Umamigeschmack des Fischs zu maximieren (hier gibt es weitere Informationen). Für diesen Gang wird ein prachtvolles Mittelstück des Steinbutts mit einer schaumigen, salzbetonten Buttersauce aufgetischt, die mit weißem Miso und Vin Jaune zubereitet wurde ‒ ein himmlisches Vergnügen mit dekadenter, süffiger Üppigkeit und lebhafter Säure. Der Fisch selbst ist fantastisch, die Textur fest und zart zugleich, der Geschmack intensiv und dennoch exquisit. Eine raffinierte Zutat, die angenehm mit den Sinnen spielt. Nussbutter mit Walnuss sowie kleine Trompetenpilze runden einen weiteren Gang ab, der nur mit Superlativen hinsichtlich Qualitäten, Zubereitungen und Wohlgeschmack zu beschreiben ist. (10/10)

Und es reißt nicht ab. Es folgt ein Stück in Butter ausgebackenes Stück Brot (Armer Ritter), auf das eine Mayonnaise mit gereiftem Parmesan sowie eine großzügige Menge 100-jährigen Balsamessigs aufgetragen wird. All das bildet die Basis für einen Berg an frisch gehobelten Périgord-Trüffeln, die die Speise vom Volumen her kurzerhand verdoppeln. Die Kombination von knusprigem, warmem Brot, mildsüßem Balsamico, herzhaftem Käse (Umami!) und erdigen Trüffeln ist an Gaumenfreude kaum zu überbieten. Frantzén, der heute nicht anwesend ist, und sein ebenso qualitätsversessener executive chef Marcus Jernmark, vermitteln über ihre Speisen konzentrierten Wohlgeschmack ohne Umschweife, direkt ins Dopamin ausschüttende Glückszentrum des Hirns. (10/10)

Sie hören damit auch nicht auf. Das nächste Arrangement wird wie ein Kaiseki-Gang serviert. Es handelt sich hierbei im Zentrum um verschiedene bittere Salate und Gemüse, manche Komponenten davon sind eingelegt, fermentiert und frittiert. Es ist eine Hommage an das ehemalige Gericht „Satio Tempestas“, das schon 2013 im Frantzén/Lindeberg aus über 50 Zutaten bestand.

Ein Duft von Lagerfeuer entströmt dem teils warmen, teils kalten Salat, am Gaumen ist alles knackig und frisch, was die Üppigkeit der vorherigen Speise willkommen kontrastiert. Und dann wird es noch besser. Als begleitende Zutaten ‒ und das ist nun die Weiterentwicklung dieses Gerichts ‒ gibt es knusprige Fischschuppen mit Kräutersalz, die man über den Salat sprenkelt wie Maldon- oder Murray-River-Salzflocken; es gibt geschlagene Buttermilch mit einem gerade erst zubereiteten Pesto aus Kresse und weiteren Kräutern, die eine bittere Parallele zu dem Salatgrün herstellen; und es gibt eine warme Infusion mit Yuzu, die wie ein Parfum duftet. Man trinkt sie zwischendurch aus einem Schälchen. Zwischendurch, das heißt zwischen dem häppchenweisen Genuss eines sehr komplex aufgebauten, aber dennoch äußerst zugänglichen Gerichts, das neben den profaneren Schmeichlern wie Fett, Salz und Räuchernoten auf eine ganz elegante Art Bitterkeit, Säure und knackiger Frische den Hof macht. Unfassbar. Ein Gericht wie ein Filmklassiker. (10/10)

Die leichten Bitternoten des Salats werden im folgenden Gericht in Form von karamellisiertem Chicorée und Birne wiederaufgenommen, sodass das Verabschieden des vorherigen Gerichts nicht allzu schwerfällt. Die grünen Komponenten begleitet eine halbierte Wachtel, die über Holzkohle gegart und mit einer herzhaften, dunklen Sauce lackiert wurde, die soeben in einer Entenpresse fertig gestellt wurde. Das Resultat ist eines der besten Stück Geflügel, die ich je probiert habe, ungemein zart und saftig, dabei aber nicht „roh“ wie das bei neumodischem Sous-vide-Garen immer praktiziert wird. Durch die Röstnoten, die durch den Saucenanstrich noch dunkler wirken, bekommt das Fleisch einen Geschmack als säße man gerade am Lagerfeuer. Gleichwohl kommt der feine Eigengeschmack des Vogels ganz zur Geltung. Das sind erneut, von der Wachtel bis zum Salat, sensationelle Qualitäten. (10/10)

Inzwischen im Glas ist ein 1997er Château Soutard aus Saint-Émilion; ein 2015er Lynmar Estate Pinot Noir aus dem Russin River Valley kommt auch noch von irgendwo her. Das bereitet alles ziemlich großen Trinkgenuss.

Der nächste Gang lautet „Sweden vs. Japan“ und präsentiert regionale Küche einmal nicht in egozentrischer Form, sondern, fast noch intelligenter, im direkten Vergleich zu einer weltweiten Referenz. Links auf dem Teller befinden sich Abschnitte vom Porterhouse eines schwedischen Rinds, das eine vergleichbare Aufzucht wie die japanischen Tiere genossen hat und ähnliche Attribute hinsichtlich des Fettgehalts und der Textur aufweist. Das japanische Stück der Qualität A5 aus Miyazaki, rechts auf dem Teller, schmeckt im spannenden Vergleich dazu etwas nussiger, buttriger und ist noch zarter am Gaumen; das schwedische Äquivalent hat dagegen einen präsenteren Eigengeschmack. Qualitätsfragen stellen sich bei beiden Produkten keine mehr. Doch wir wären nicht hier, wäre der Gang damit bereits zu Ende beschrieben. Die beiden Sorten läuternden Rindfleischs werden begleitet von einem dekadenten Potpourri mit weißem Albatrüffel, Enokipilzen, einer mit dem Bratenjus hergestellten Sauce bordelaise sowie einem Aioli mit Matsutake-Pilzen.

Dazu gibt es noch eine Parker House roll, eine Art Brioche mit dem Ursprung in Boston, die mit sehr viel Butter und karamellartigen Röstnoten ausgestattet ist. Man tunkt sie in ein grünes Elixir, bei dem u. a. Zwiebeln eine Rolle spielen. Es ist alles zum Niederknien. (10/10)

Ein „Tee“ aus Rinderabschnitten, fermentierten Pilzen und „Trüffel-Tofu“ zählt danach zu den handwerklich und geschmacklich besten heißen Flüssigkeiten, die ich je zu mir genommen habe. (10/10)

Nach einer angenehmen Pause, in der ich mich schon mal mit einer jungen, aber sehr guten 2016er Beerenauslese von Kracher aus dem Burgenland anfreunde, geht es mit dem Dessert weiter.

In drei verschiedene Pfeffersorten eingelegte Blaubeeren sind von frischen Kiefernnadeln umzingelt und mit Birkenöl aromatisiert. Dem Schälchen entweicht ein betörendes Aromabouquet von Nadelwald und Beeren. Letztere sind dunkel und schwer und schmecken intensiv fruchtig und „lila“, wie Veilchen. Meine Assoziationen sind schwere Parfüms von Serge Lutens oder Tom Ford mit edlen Ingredienzen. Daneben ein Meringue-Gebäck, das im Inneren ein cremiges Vanilleeis aus Büffelmilch zum Vorschein bringt. Das fruchtig süße, kühle und luftig-knusprige Dessert ist eine der besten Süßspeisen, die ich je genossen habe, vielleicht sogar die beste. Mein Puls schlägt höher, ich bin völlig aufgewühlt, selbst nach so vielen Gängen. (10/10)

Ein Stockwerk tiefer lässt man den Abend dann ausklingen. Es wäre gar nicht möglich, jetzt einfach auf die Straße hinaus zu gehen, viel zu intensiv waren die Eindrücke der letzten drei Stunden. Am Kamin geht es weiter.

Ein Eis mit Meyer-Zitrone und Eisenkraut (10/10); eine Praline mit Foie Gras und Rosine (9/10); eine Art Franzbrötchen mit viel Butter und viel Kardamom, das nach Sauna-Aufguss schmeckt (10/10).

Eine leise, karibische E-Gitarre aus der Musikanalge und die Wärme des Kaminfeuers rauben mir dann die letzten Sinne. Ich schlummere weg.

Das war’s. Gute Nacht. Willkommen im neuen Frantzén.

Informationen zu diesem Besuch
Restaurant: Frantzén (→ Website)
Chef de Cuisine: Björn Frantzén
Ort: Stockholm, Schweden
Datum dieses Besuchs: 01.12.2017
Guide Michelin (Nordic Countries 2017): noch nicht bewertet
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