Sushi Ginza Onodera (New York) ‒ Umami zum Mittag

Die Onodera-Gruppe betreibt mehrere japanische Restaurants für Sushi und Teppanyaki, unter anderem in Tokio, New York, Los Angeles und Paris. Die Filiale in New York ist meine erste Begegnung mit einem Restaurant dieser Gruppe. Innerhalb der zwei Jahre, die es geöffnet hat, wird es im Guide Michelin schon mit zwei Sternen ausgezeichnet.

Bereits hinter der Eingangstür beginnt die Erfüllung meiner Sehnsucht nach den reinlichen Gerüchen, den geschickten Handgriffen und der durchdachten Geometrie in japanischen Restaurants. Alles ist darauf ausgerichtet, um den verwendeten Zutaten und denen, die diese genießen möchten, größtmöglichen Respekt zu erweisen.

Küchenchef Masaki Saito (dessen Namensverwandtschaft mit dem legendären Sushimeister aus Tokio nach meinem Wissen nur Zufall ist) ist an diesem Mittag nicht anwesend, doch wenn mir das niemand gesagt hätte, wüsste ich das gar nicht. Die souveränen Handgriffe des anwesenden, sehr konzentriert arbeitenden Chefs sehen mehr als vertrauenswürdig aus.

Das Ambiente ist angenehm. Das Restaurant ist hell und sehr geräumig, der L-förmige Tresen hat Platz für bis zu 16 Gäste, weitere normale Tische sind ebenfalls vorhanden. An diesem Montagmittag ist das Restaurant nicht ausgebucht. Ich bestelle ein Glas offenen Weißwein (Mas de Domaine Gassac, $ 22 = ca. € 18), danach ein Sapporo-Bier (€ 7,50).

Die einzige Entscheidung, die man bezüglich des Mittagsmenüs treffen muss, ist die Menge an Nigiri-Sushi, die im Laufe des Menüs serviert wird. Zur Auswahl stehen zehn, dreizehn oder fünfzehn Teile zu umgerechnet € 83, € 108 bzw. € 125. Mir fällt kein Grund für Verzicht ein ‒ wenn ich schon mal hier bin ‒ und wähle das volle Programm.

Während der Sushimeister und sein Gehilfe vor meinen Augen unterschiedliche Vorbereitungen treffen und ich auf die ersten Kleinigkeiten warte, erfreue ich mich an unzähligen Details wie den Keramikschälchen und -tellern, den akkurat vor mir platzierten Essstäbchen und jedem einzelnen Handgriff des Meisters. Allein das schnelle und präzise Aufschneiden von Ingwer ist schon fesselnd.

Das Omakase-Menü beginnt mit einem an minimalistischer Ästhetik kaum zu übertreffenden Teller mit Makrele, Algen-Sojasauce und frischem Wasabi. Der Fisch ist einige Tage gereift und mariniert und weist dadurch eine besonders zarte Textur und einen ganz leichten Räuchergeschmack auf. In Kombination mit dem leuchtend frischen Wasabi und der Sojasauce stimmt mich dieser sehr hochwertige Einstieg schon glücklich. (8,5/10)

Es geht dann sofort weiter mit der Abfolge von Nigiri-Sushi. Der Fisch kommt drei Mal die Woche direkt vom Fischmarkt in Tokio hierher.

Glänzender Schleimkopf (kinmedai) ‒ der Reis des Nigiri ist auffällig warm, hat einen geringen Säuregehalt und ist hervorragend luftig-körnig gekocht, sodass man jedes Korn am Gaumen wahrnehmen kann. Herausragende Fischqualität.

Stachelmakrele (shima aji) ‒ der Fisch hat einen hohen Eigenfettgehalt, ist sehr zart und von erneut herausragender Qualität. Auf diesem Niveau äußern sich die Unterschiede zu den größten Sushimeistern nur in wenigen der Dutzenden Stellschrauben, die diese scheinbar simple Speise zu einer der komplexesten überhaupt machen.

Japanischer Barracuda (kamasu) ‒ der Fisch hat einen milden Geschmack nach Meer und ist ganz leicht über Holzkohle gegrillt. Ein selten servierter Fisch in fabelhafter Qualität.

Gelbschwanzmakrele (buri) ‒ ein Hauch Senf zwischen Reis und Fisch sowie ein paar Tropfen frisch darüber gepresste Yuzu machen dieses Nigiri zu einem weiteren Highlight.

Süßlippe (isaki) ‒ dieser Fisch hat eine sehr feste Textur und einen angenehm süßlichen Geschmack. Kein Favorit, aber exzellent.

Atlantische Weiße Garnele (shiro ebi) ‒ die Sojasauce verfängt sich in den gekonnt umgesetzten Einschnitten des Fleischs und ergänzt dessen süßlichen Geschmack um Umami und etwas Säure.

Jakobsmuschel (hotatagai) ‒ serviert mit Sojasauce und der Zitrusfrucht Sudachi. Die verschiedenen Sojasaucen und frischen Zitrusfrüchte kommen alle sehr stimmig zum Einsatz.

Tintenfisch (ika) ‒ einer meiner Lieblingsfische für Nigiri. Die Textur ist hier für meine Präferenzen etwas zu fest, ansonsten wäre das ein ziemlich perfektes Stück. Besonders die akkuraten parallelen Einschnitte mit fast identischem Abstand sind handwerklich sehr präzise umgesetzt.

Junge Meerbrasse (kasugo) ‒ ein fantastisches Stück Nigiri-Sushi mit einem interessanten Kontrast am Gaumen durch ein etwas kühler temperiertes, sehr zartes Fleisch. Das Niveau bleibt hervorragend.

Magerer Thunfisch (akami) ‒ der Fisch wurde vorher mariniert, was ihn noch zarter macht. Der Geschmack ist „rein“ und elegant, mit viel Umami.

Fetter Thunfisch (ōtoro) ‒ der aus dem vorderen Bauch des Fischs stammende Teil weist eine starke Fettmarmorierung auf und ist auch hier ein ganz besonderes Erlebnis. Das eher an ein marmoriertes Steak erinnernde Stück vom Fisch ist voll mit Umami und erzeugt am Gaumen einen buttrigen, mundfüllenden Wohlgeschmack. Auch sorgen etwas Sojasauce und eine Zitrusfrucht für zusätzliche Akzente.

Stachelmakrele (aji) ‒ der intensive Geschmack des Fischs, hier kombiniert und aufgefrischt mit etwas Ingwer, erinnert an ein Fischbrötchen mit Matjes. Exzellent.

Eine dann folgende Miso-Suppe fällt durch intensiven Wohlgeschmack auf, der von der aufwändigen Zubereitung herrührt. Hierzu wird eine ganze Woche lang ein Dashi immer wieder neu mit einer konzentrierten Misopaste angereichert. Das Ergebnis kann sich schmecken lassen.

Nach der heißen Unterbrechung folgt weiteres Sushi.

Ein Schälchen mit etwas Lachsrogen stellt eine sehr gute Zutat zur Schau. Die Fischeier sind sehr leicht und verwandeln sich am Gaumen zu einem Eindruck von Salzwasser.

Ein weiteres Nigiri mit exquisitem Seeigel aus Hokkaido ist die nächste Delikatesse. Der Reis wurde hier etwas stärker mit leichter Sojasauce mariniert, was eine gute Unterstützung für das überbordende Geschmackserlebnis von Jod, Umami und leichter Süße ist. Es existieren von dieser Zutat allerdings noch eindrucksvollere Qualitäten.

Endgültige Sättigung erfährt man spätestens mit der Handrolle aus Algenblatt, Reis, fettem Thunfisch und Zwiebeln: reiner Wohlgeschmack „aus der Tüte“.

Sämtliche Speisen bisher bewegten sich auf einem Niveau, für das eine Bewertung mit zwei Sternen absolut nachvollziehbar ist. Einige Nigiris ‒ besonders Barrakuda, Gelbschwanzmakrele und fetter Thunfisch ‒ sowie die Miso-Suppe waren auf Weltklasseniveau. Im Schnitt 8,5/10.

Es folgt noch Tamago, die japanische Dessertspezialität, für dessen Fertigung man jahrelange Übung braucht. In diesem Fall sollte man vielleicht noch weiter üben, denn die üblicherweise recht dichte und saftige Masse ist hier ungewöhnlich luftig und ziemlich trocken. Ob das ein anderer Stil ist ‒ oder nur fehlende Exzellenz ‒ ist mir nicht bekannt, aber ganz „sauber“ kommt mir das nicht vor. (6,5/10)

Gerösteter grüner Tee schmeckt in japanischen Restaurant immer nach flüssigem Aschenbecher, dieser hier schmeckt entsprechend authentisch. Ein kleines Dessert mit Kokoscreme, grünem Tee und einer von mir nicht näher identifizierbaren Bohne schmeckt hervorragend und bildet den Abschluss eines Essens auf sehr hohem Niveau. (8,5/10)

Als besonders angenehm habe ich auch die offene Atmosphäre und unkomplizierten Reservierungsgepflogenheiten des Restaurants empfunden. Das Sushi Ginza Onodera ist weder ein exklusiver Geheimtipp wie Sushi Amane, noch ein kontoschröpfender Sushitempel wie das Masa, sondern einfach nur ein ganz hervorragendes Sushi-Restaurant ohne Allüren.

Ich verlasse das Restaurant glücklich, gesättigt und bereichert, stolpere hinaus auf die Fifth Avenue, auf der schon wieder tagesübliche Hektik herrscht. Wunderbar, alles.

Informationen zu diesem Besuch
Restaurant: Sushi Ginza Onodera (→ Website)
Chef de Cuisine: Masaki Saito
Ort: New York City, USA
Datum dieses Besuchs: 05.03.2018
Guide Michelin (New York City 2018): **
Meine Bewertung dieses Essens 8,5 (Was bedeutet das?)
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