Sushi Noz ‒ Perle in New York

Wer nach New York reist und an authentischem Sushi interessiert ist, sollte einige Adressen dort bekanntlich nicht auslassen. Immer weitere, von Japanern geführte, Restaurants sprießen in der Metropole am Hudson River aus dem Boden. Anders als in Japan bekommt man hier allerdings auf demokratische Weise meist problemlos einen Tisch.

Das bekannteste und wegen seines immensen Preisniveaus berüchtigte Drei-Sterne-Sushi-Restaurant Masa im Time Warner Center war bei Gästen, die nach Authentizität suchen, allerdings noch nie das Maß der Dinge. Obwohl es auch im Masa hervorragendes ‒ aber eben nicht durchweg authentisches ‒ Sushi gibt, sind die absurden Preise und Aufpreise für oktroyierte Luxuszutaten nichts, was der eigentliche Sushi-Kenner sucht.

Die derzeit besten, authentischsten Sushi-Restaurants New Yorks, also solche, die Edomae-Sushi servieren ‒ Sushi „nach Tokioter Art“ ‒ sind, unter anderem, Sushi Satsuki, Noda, Sushi Yasuda, Sushi Amane, Sushi Nakazawa, Sushi Ginza Onodera und, für viele derzeit Nummer eins, Sushi Noz. In Letzterem habe ich an diesem letzten Samstagabend im Dezember eine Reservierung am Hinoki-Tresen. Das Ticket habe ich online im Voraus erworben, für umgerechnet € 354. Preis und Vorverkauf: in New York so normal wie bei uns Kleingeld an der Kasse abzählen.

Sushi Noz befindet sich in Manhattans elitärer Upper East Side, wo man € 354 auch schon mal für den täglichen Austausch des Blumengedecks auf dem Gäste-WC ausgibt. Doch Upper-Eastsider sind heute Abend nicht unter den Gästen. Stattdessen nur asiatische Food-Touristen mit wenig Geschmack für Kleidung, aber einem geschulten Gaumen und viel Erfahrung, wenn es um Sushi geht.

Küchenchef Nozomu Abe, aufgewachsen in Hokkaido ‒ einer Art Schlaraffenland Japans ‒, wurde von den amerikanischen Gastronomen-Brüdern David and Josh Foulquier in Tokio entdeckt und nach New York rekrutiert wie ein Model für den Laufsteg. Seitdem steht der freundliche Kerl (fast) jeden Abend vor seinen sechs Gästen und liefert ab.

Er liefert zu Beginn des Essens heute Abend ein äußerst delikates Sashimi vom Drückerfisch mit einer Sauce von dessen Leber, cremig und mild, dazu gibt es blumig-pikante Perillablüten und frisch geriebenen Wasabi. Eine Wucht. (8/10)

Danach folgt eine sichtlich noch lebendige, angeblich am Zoll vorbeigeschleuste, Trogmuschel, die mit aus Japan reimportiertem Seeigel aus Santa Barbara ‒ nichts für die Ökobilanz ‒ zu einem phänomenalen Ensemble kombiniert wird. Das Gericht lebt von Kontrasten: bissfeste Muschel versus cremiger Seeigel, pikante Würzung versus milde Süße. Eine fantastische Kreation mit verblüffenden Produkten. (8,9/10)

Schneekrabbe mit Chrysanthemenblättern und Alge schmeckt danach angenehm salzig, jodig und gleichzeitig süß (7,5/10); und ein im Algenblatt eingewickelter Reiscracker mit hausgemachtem Bottarga schafft es, den intensiv fischigen Geschmack des getrockneten Rogens regelrecht mild wirken zu lassen (8/10).

Ganz kurz über Binchotan-Holzkohle gegrillter Thunfischbauch gelangt danach in mundgerechten Stücken, mit Rettich-, Sojasauce und etwas Schnittlauch an den Platz, was so perfekt ist, dass jeder, der hierbei nicht vor Genuss die Augen schließen muss, definitiv im falschen Restaurant sitzt. (9/10)

Leicht gegrillte Fischmilch (shirako) vom Kabeljau mit Daikon und frischem, duftenden Yuzu-Abrieb ist im Anschluss ein heißes, cremiges und blumig-aromatisches Erlebnis. (8/10)

Diese Ouvertüre ‒ schließlich war das erst der Anfang ‒ war nicht nur auf hohem Niveau, sondern auch so angenehm portioniert, dass man auf die folgende Nigiri-Aufführung noch richtig Appetit hat. Abe und sein Hilfskoch haben in der Zwischenzeit die Zutaten dafür präpariert.

Das erste Stück ist mit Tintenfisch zubereitet, der kreuzweise eingeschnitten ist, wovon ich bei Nigiri-Sushi kein Fan bin, weil dadurch ein bestimmtes Texturerlebnis am Gaumen abhandenkommt, das mir bei dieser Zutat so gefällt. Der Reis ist recht warm und hat eine angenehm präsente Säure. Das Niveau ist aber bereits sehr hoch. (7,5/10)

Es steigert sich rapide, nun mit Jakobsmuschel, die ebenfalls kreuzweise eingeschnitten ist. Hier ist das jedoch vorteilhaft und in fabelhafter Qualität und Portionierung ausgeführt. (7,9/10)

Makrele ist noch besser, phänomenal zart und mit markantem Geschmack, abgemildert durch etwas Sojasauce. (8/10)

Gereifter magererThunfisch schmeckt durch die Konservierung leicht rauchig-salzig (7,9/10); mittelfetterThunfisch offenbart seinen wundervollen Schmelz nahezu auf Weltklasseniveau, wobei mir der Reis hier etwas zu warm ist (8,5/10).

Gereifte Gelbschwanzmakrele ist nahezu perfekt geschnitten und portioniert und folgt der leicht (!) „rauchigen“ Geschmackswelt (8/10); danach begeistert ein aus Japan bezogener Shiitake-Pilz mit bissfester Textur und viel Umami-Geschmack als vegetarische Zutat für ein Nigiri außerordentlich (8,5/10).

Auf Weltklasseniveau ist dann ein Gunkan-Nigiri mit spektakulärem Seeigel aus Hokkaido: cremig, süßlich-jodig, mit etwas Sojasauce und mundgerecht. Ein perfekter Happen. (9/10)

Das Filetstück einer Barsch-Art wurde für den nächsten Gang beispielhaft gegrillt und präsentiert sich saftig und heiß auf erneut mit Seeigel „gewürztem“ Reis. Dazwischen unterbricht frisch geriebener Wasabi immer mal wieder die geschmackliche Harmonie und sorgt für etwas Feierstimmung am Gaumen. Ebenfalls auf höchstem Niveau. (8,9/10)

Fetten Thunfisch (otoro) grillt der Meister direkt am Tresen unter Zuhilfenahme einer rechteckigen Metallpfanne mit glühend heißer Binchotan-Kohle. Der Fisch zergeht am Gaumen wie Butter, und auch hier sind Größe und Körnung der Reisportion ideal. (8,9/10)

Eine Miso-Suppe ist wunderbar gekocht und auffallend harmonisch (8/10); und das letzte Nigiri mit Aal zähle ich zu den besten dieser Art, die ich je probiert habe, warm, weich, gehaltvoll und mit dem verführerisch blumigen Aroma einer frischen Yuzu. (8,9/10)

Eine Handrolle mit mittelfettem Thunfisch sättigt dann abschließend (7,9/10), aber auch das obligatorische Omelette (tamago), von dem ich bei aller Bewunderung über dessen Herstellung nie allzu größter Fan bin, passt noch (7/10).

Ein sehr schmackhaftes Spaghettieis mit Rum (7/10) beendet das Essen, das für mich eines der besten und authentischsten Sushi-Erlebnisse außerhalb Japans war. Auch in New York, wo es an Alternativen nicht mangelt, ist das Sushi Noz eine Perle.

Informationen zu diesem Besuch
Restaurant: Sushi Noz (→ Website)
Chef de Cuisine: Nozomu Abe
Ort: New York City, USA
Datum dieses Besuchs: 28.12.2019
Guide Michelin (New York City 2020): *
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