De Karmeliet – mediterranes Brügge

Die belgische Region Flandern ist längst ein Pilgerort für Gourmets aus aller Welt, schließlich findet man dort so renommierte Spitzenrestaurants wie den Hof van Cleve, das gerade frisch umgezogene Hertog Jan, Sergio Hermans spektakuläres The Jane und eben auch das dreifach besternte De Karmeliet in Brügge. Von diesem Restaurant hört man allerdings recht wenig, vermutlich weil klassische französische Küche – gerade in der Region – nicht gerade der letzte Schrei ist. Mir soll’s egal sein: Ich bin großer Freund von guter Klassik, und immerhin reden wir hier über ein Restaurant mit drei Michelin-Sternen. Geert van Hecke heißt dort der gute Mann am Herd.

Am Abend trete ich ein in die weiße Stadtvilla und fühle mich auf Anhieb wohl. Das Licht ist warm, die Farbwelt geschmackvoll (ich könnte schwören, die Wandfarbe ist „Atmosphere“ von Flamant), und der Tisch ist hübsch drapiert mit Pfingstrosen, Gläsern und Tafelsilber. Alles sehr stilvoll, und von Überfrachtung keine Spur.

Meine Wahl fällt auf das Menü „Brugge Die Scone“ (8 Gänge, € 210), das wenig später mit ein paar Amuse-Bouches beginnt.

Die Kleinigkeiten wollen nicht unbedingt einen Schönheitswettbewerb gewinnen, doch einige davon haben es geschmacklich in sich, wie z. B. eine lauwarme Tartelette mit schwarzer Olive und Tomate, die die Aromen der mediterranen Früchte erstaunlich intensiv zur Geltung bringt. Die unverkennbare Vorliebe für mediterrane Produkte findet man auch in einem Schälchen mit Gemüse wieder, in dem sich Tomate, Zucchini mit Blüte, Paprika, Pesto und Frischkäse angenehm ergänzen und einfache, aber exzellente Produkte in den Vordergrund stellen. Befremdlich anders dagegen ein Tartar, welches in der Ecke des Tellers nicht nur etwas verloren wirkt, sondern regelrecht unappetitlich und „abgestanden“ aussieht. Ich sehe keinen Grund, es zu probieren – ein merkwürdiger Ausreißer. Ein weiteres Schälchen mit Krabben besticht dann wieder durch würzig-kräftige und dennoch präzise Aromen. In Summe kein großartiger, aber ein sehr guter und von Ballast und Moden befreiter Einstieg.

Der erste Gang des Menüs ist marinierte Makrele, dazu gibt es Königskrabbe (als eine Art Maki), verschiedene Gemüse, eine intensive Gemüse-Velouté und Zucchiniblüten-Parfait. Die Meerestiere sind von makelloser Qualität und die Gesamtkomposition ist exzellent: eine maritime Geschmackswelt trifft erneut auf kräftige mediterrane Aromen. Lediglich der Blick aus dem Fenster offenbart das Fehlen des azurblauen Mittelmeers. Ich positiv überrascht von dieser Stilistik.

Gang zwei bleibt diesem Stil treu und ist dabei noch besser. Ein perfekt gegartes Stück Wolfsbarsch, leicht geräuchert, trifft auf herrlich frischen Spargel aus Villelaure (Provence), junge Zwiebel und einem Püree aus Erbsen. Ein leichter, vinaigretteartiger Jus unterstützt diesen Hochgenuss perfekt und ohne viel Aufsehen. Zeitlos und exzellent.

Das Thema Spargel (aus Mechelen bei Antwerpen) wird dann erneut vom nächsten Gang aufgegriffen und zusammen mit Morcheln und Bellota-Schinken in den Mittelpunkt gestellt. Qualitativ und auch geschmacklich überzeugt das Gericht auf ganzer Linie – was bei dieser von Grund auf harmonischen Komposition auch zu erwarten war. Mir gefällt der zielsichere Stil außerordentlich gut, lediglich das „Küchlein“ aus einer Art Morchel-Mousse empfinde ich als wenig gewinnbringend. Ein paar mehr Morcheln wären hier souveräner gewesen. Insgesamt jedoch ein hervorragender Teller auf sehr hohem Niveau.

Herausragend ist dann der Kaisergranat (Langoustine Royale) mit marinierter Aubergine, gebratener Foie Gras und einem Sud mit Algen und Zitronengras. Der leicht rauchige Sud mit frischen Akzenten passt wunderbar zur milden Süße des makellosen Krustentiers, und die (texturell einander erstaunlich ähnlichen) Stücke von Aubergine und Foie Gras vervollständigen dieses perfekte und elegante Gericht.

Eine brillante Darstellung makelloser (französischer) Produktküche ist dann auch das folgende Milchlamm aus den Pyrenäen, mit Bärlauch gegart, dazu einige vor Frische leuchtende Gemüse und einer exzellenten Sauce. Das Lamm zählt zu den besten, die ich je gekostet habe und übertrifft meine Referenz aus der Auberge de l’Ill durch eine regelrecht buttrige Zartheit und eine sehr feine, ins Fleisch „eingearbeitete“, Bärlauchnote. Gerichte dieser Art rechtfertigen mühelos drei Sterne: Produktqualität, Handwerk und Wohlgeschmack kommen hier auf höchstem Niveau zusammen. Wundervoll.

Bei Menüs, die so klassisch Französisch ausgerichtet sind wie dieses, nehme ich eine gute Käseauswahl gerne in Anspruch. Ich wähle drei Sorten – sie sind von perfekter Reifung, Temperatur und Qualität; dazu gibt es eingemachte Früchte und warmes, hausgemachtes Brot. Mehr geht in dieser Hinsicht nicht!

La douceur autour des fruits“ ist ein wahrgewordener Erdbeertraum mit Rhabarber und Basilikum. Sicher, so ähnlich können viele Desserts aussehen; aber so schmecken: das können nur wenige. Konzentrierte Erdbeere trifft auf (nicht zu) süß eingelegten Rhabarber und frischen Basilikum. Exzellent umgesetzt, genauso wie die dazu gereichten Petit-Fours.

Weitere Süßspeisen runden das Menü ab, das inzwischen für ein durchdringendes Gefühl großer Zufriedenheit bei mir sorgt.

Wenn es eines Fazits bedarf, dann dieses: Die Küche im De Karmeliet hat mich sehr positiv überrascht. Nicht, dass ich bei drei Sternen besonders skeptisch gewesen wäre, aber ein solch unverfälschter mediterraner Stil ist außerhalb Frankreichs nur selten vorzufinden. Auf dem attestierten Niveau sind ohne Frage Steigerungen möglich, aber das ist Kritik auf höchstem Niveau. Die Region Flandern beherbergt viele der kreativsten Restaurants weltweit; Geert van Hecke und sein De Karmeliet sind in dieser Menge eine Oase der kulinarischen Ruhe.

Informationen zu diesem Besuch
Restaurant: De Karmeliet (→ Website)
Chef de Cuisine: Geert van Hecke
Ort: Brügge, Belgien
Datum dieses Besuchs: 23.05.2014
Guide Michelin (B/L 2014): ***
Meine Bewertung dieses Essens 8,9 (Was bedeutet das?)