Jacobs Restaurant – Ebbe an der Elbchaussee

Nachdem mein Besuch im Jacobs Restaurant letzten Februar unerwartet enttäuschend war, überraschte mich die Ankündigung per Newsletter von „Maßnahmen zur Qualitätssicherung und Kreativitätssteigerung“ positiv und bot neuen Anlass, das nette Haus an der Elbchaussee zu einem späteren Zeitpunkt im Jahr erneut aufzusuchen.

Heute Abend ist nun dieser spätere Zeitpunkt, und so sitze ich jetzt wieder an einem der Tische, die inzwischen behutsam neudekoriert wurden. Die ebenfalls angekündigte Renovierung des Saals („alles etwas moderner, aber weiterhin gemütlich“, so eine Dame am Telefon), muss ich allerdings suchen, ohne fündig zu werden. Radikale Änderungen sind hier hinsichtlich der überdauernden Stammklientel auch unter allen Umständen zu vermeiden – nicht, dass jemand das Restaurant mit plötzlichen Herzrhythmusstörungen betreten muss.

Was das Essen betrifft, erhoffe ich mir heute Abend zumindest eine Rückkehr zur bewährten Handschrift Thomas Martins, die ich in den vielen vergangenen Jahren vor allem durch äußerst schmackhafte, entstaubte französische Klassiker, eine rigorose Produktauslese und hervorragende Saucen kennen und zu schätzen gelernt habe, und deshalb immer wieder gerne hier eingekehrt bin.

Im besseren Fall erhoffe ich mir heute Abend sogar neuen kulinarischen Glanz, der dem "Jacobs" wieder einen Spitzenplatz in Hamburgs bescheidener Gastronomielandschaft sichern und womöglich sogar neues Publikum anlocken könnte. Den vielen leeren Tischen wäre es sicher zuträglich.

Die neue Speisekarte ist, neben ein paar Ausnahmen, unterteilt in die Menüs „Bewährtes“ und „Zeitgenössisch“. Meine Hoffnung, im zeitgenössischen Teil ein paar neue, inspirierte Ideen vorzufinden erfüllt sich jedoch ­– zumindest der Beschreibung nach – nicht. Schade, eine Art Spielwiese, neben einigen Klassikern, hätte ich als neues Konzept sehr begrüßt.

Ich stelle somit aus beiden Menüs etwas zusammen (6 Gänge, € 138). Die Champagnergläser waren hier im Haus auch schon mal mit etwas Besserem befüllt als mit diesem 1998er Alfred Gratien, der recht enttäuschend für einen Jahrgangschampagner ist.

Die ersten Amuse bouches werden auf einem kleinen Holzbrett gereicht. Nichts davon ist kulinarisch hervorzuheben. Eine Auswahl nicht besonders frischer Brötchen wurde inzwischen auch auf dem Tisch platziert, zusammen mit kugelförmiger, leider noch viel zu kalter Butter, aromatisiertem Salz (Curry?) und „Thomas Martins Olivenöl“. Da mich die Herkunft des Öls mehr interessiert als dessen Namensgeber (dieser in allen Ehren), hake ich nach und erfahre, dass es sich um Öl aus Umbrien handelt. Fein, aber hartes Brot und kalte Butter – so etwas hat es hier vor Jahren noch nicht gegeben.

Weiter geht’s mit einer Blumenkohlvariation, die leider ziemlich fad ist und auch anderweitig nicht sehr interessant.

Der erste Gang, den ich aus dem Menü „Zeitgenössisch“ wähle, ist Thunfischtatar mit Wasabi und Meeresalgen, dazu wird glasweise ein 2009er Gelber Muskateller vom Alois Gross (Südsteiermark) serviert. Die Präsentation ist überraschend modern für dieses Haus; ich bin gespannt. Der grüne Sud aus verschiedenen Kräutern (ich habe es nicht genau behalten) ist gut, schafft es jedoch nicht, den ungewürzten, qualitativ sehr guten, Thunfisch geschmacklich ausreichend zu unterstützen.

Die folgende Samtsuppe vom Hummer mit Rosé-Champagner und Hechtklößchen, die passend begleitet wird von einem Medeira Monte Seco von Henriques & Henriques, ist von allen Hummersuppengerichten, die ich hier bereits probieren durfte, die schwächste. Normalerweise bestechen die Hummersuppen und -saucen Martins durch intensive Aromen, in der unzählige Krustentiere allein für den Fond ihr Leben lassen mussten, und durch einen Glanz, als hätte Paul Bocuse persönlich die Butter hineingeschwenkt (wobei er dies bei meinem letzten Besuch auch noch mal hätte üben können, aber das ist eine andere Geschichte). Dieser Sud ist zwar in Ordnung, aber weit entfernt von den beschriebenen Fähigkeiten Herrn Martins. Der Hummer selbst ist sehr gut; der Hechtkloß überflüssig wie Mozzarella.

In der Zwischenzeit hat sich ein kleines Weinproblem ergeben, da der 1996er Vosne-Romanée „Les Suchots“ von François Lamarche unerwartet garstig daherkommt. Ein sehr hoher Säureanteil und ein flaches Bouquet zählen ihn genau zu der Sorte Burgunder, mit der man diese Region nicht für sich entdeckt. Aber dafür kann hier niemand etwas, und glücklicherweise habe ich die Region bereits für mich entdeckt. Ich wundere mich lediglich, dass mir dieser Wein ans Herz gelegt wurde, als ich das Thema gereifter Pinot aufgegriffen habe. Fair genug, berechnet wird später nur der von mir stattdessen gewählte Dits del Terra 2002 von Eben Sadie(€ 160), von dem ich allerdings meine, auch schon mal eine bessere Flasche getrunken zu haben. Aber was sagte Eben Sadie neulich noch auf einer Weinprobe? Sinngemäß etwa: „Wenn man vorher schon weiß, wie der Wein schmeckt, ist es kein guter Wein.“

Das nächste Gericht, die Bretonische Jacobsmuschel mit Trüffeljus und Chicoree, die ich jetzt noch glasweise begleite mit einer 2007er Chardonnay Spätlese vom Weingut Bercher (Baden), kann nicht überzeugen. Man glaubt es kaum, doch der optisch vielversprechend herzhaft anmutende Jus ist nur wenig aromatisch, und auch den Chicoree finde ich mit seiner Bitterkeit hier unpassend. Wenn schon „bewährt“, warum dann doch so anders? Die früheren „Jacobs“-Muscheln (inkl. Anführungszeichen) waren erheblich raffinierter. Davon jedoch abgesehen ist die Jakobsmuschel selbst ein beachtliches, perfekt gegartes Prachtexemplar von der Größe eines kleinen Steaks.

Der Nordsee-Steinbutt in Milch pochiert mit Pommery-Senfbutter reiht sich leider ein in die hier heute vorherrschende Aroma-Ebbe. Ideen auf dem Teller sucht man vergebens. Ein solcher Purismus funktioniert hier jedoch nicht; dafür ist die Produktqualität schlicht nicht großartig genug.

Der Fleischgang, Holsteiner Rehrücken mit Süßholz-Rotweinjus, Rosenkohl und Waldpilzen („zeitgenössisch“), reißt das Ruder auch nicht herum. Das Fleisch ist von sehr guter Qualität, aber darüber hinaus ist der Teller gekennzeichnet durch Einheitlichkeit. Bereits die Präsentation ist etwas lieblos (alles braun in braun, Sauce und Püree laufen ineinander), und auch die Zutaten ähneln sich in ihrer Konsistenz so sehr, dass es kaum einen Unterschied macht, ob man ein Stück Fleisch oder Rosenkohl oder einen Pilz isst. Die sehr kräftige, aber zu salzige und leider wenig aromatische Sauce, sorgt zudem für eine vollständige Uniformität des gesamten Geschmacksbildes. Hier gibt es am Gaumen nichts zu „entdecken“, es fehlen unterschiedliche Texturen und aromatische Kontraste.

Dem sich anschließenden Kitzbüheler Kaiserschmarrn mir Marillenöl und marmoriertem Kumquateis fehlt es gefühlt an einem Pfund Butter (pro Teller, versteht sich), womit das Dessert so trocken wie ein Müsliriegel und damit auch schon ausreichend beschrieben ist. Was ist mit der Patisserie hier geschehen? Diese war hier immer eine sichere Bank, und die Lehrlinge, die im Anschluss an das Dessert den aristokratischen Christofle-Pralinenwagen vorfahren, ganz zu Recht stolz auf ihren Posten.

Eher beiläufig bestelle ich unter anderem ein kleines Schokoladentörtchen von einer der vielen Etagen des Wagens. Es ist die beste Speise des heutigen Abends. Saftig-schokoladig, genau richtig gesüßt und mit wunderbaren, leicht krossen Schichten dazwischen. Zum Glück hat sich hier nichts geändert.

In Summe bin ich enttäuscht, dass keine der angekündigten Verbesserungsmaßnahmen erkennbar waren. Nahezu durchweg fehlender Wohlgeschmack, konzeptionelle Schwächen, eine sehr verbesserungsfähige Präsentation und, vor allem, Mut- und Ideenlosigkeit prägten die Gerichte des  heutigen Abends.

Ich wünsche dem Hause „Jacobs“ eine baldige Rückkehr auf neues, hohes Niveau und bitte dann um eine entsprechende Nachricht – die jetzige wurde wohl etwas voreilig versandt.

Informationen zu diesem Besuch
Restaurant: Jacobs Restaurant (→ Website)
Chef de Cuisine: Thomas Martin
Ort: Hamburg, Deutschland
Datum dieses Besuchs: 11.11.2010
Guide Michelin (D 2011): *
Meine Bewertung dieses Essens 6 (Was bedeutet das?)