Tourniert: Hamilton Island

Im nordöstlichen Australien, vor der Küste des Bundesstaats Queensland, liegen die Pfingstsonntagsinseln (Whitsunday Islands). Die weißesten Strände der Welt und eine üppige Pflanzen- und Tierwelt zählen zu ihren wesentlichen Attraktionen.

Die größte der Inseln, Hamilton Island, verfügt über einen Flughafen, der von Sydney aus in etwas über zwei Stunden zu erreichen ist. Neben einer recht tristen touristischen Bebauung ist das eigentliche Highlight dort das renommierte Luxusresort Qualia. Auf meiner Reise nach Hongkong und Australien vergangenen Oktober habe ich einige entspannende Tage dort verbracht.

Für besonders gutes Essen ist die Insel nicht bekannt, aber in einer derart ambitionierten Luxushotellerie ‒ in einer Region, die auf viele gute Produkte zurückgreifen kann ‒, hofft man natürlich auf adäquates Essen in den beiden Hotel-Restaurants. Ebenso gibt es auf er Insel eine Marina mit einigen, meist simpleren, Restaurants. Über zwei davon sprechen Ortskundige sogar mit größerem Respekt.

Über meine gastronomischen Erlebnisse auf Hamilton Island möchte ich hier kurz berichten.


Long Pavilion (Qualia)

Das „normale“ Restaurant des Luxusresorts Qualia hat täglich geöffnet und bietet neben einem befremdlich dürftigen Frühstück ein Abendessen à la carte. Das Restaurant ist sehr atmosphärisch in die breite, offene Lobby des Hotels integriert. Sitzt man draußen unter freiem Himmel, steht schon mal ein langbeiniger, sehr aufdringlicher Vogel neben dem Tisch und hofft auf Beute. Doch auch im Restaurant ist man nicht davor gefeit, dass mal ein dicker Grashüpfer auf einem landet. Da in Australien die Wahrscheinlichkeit hoch ist, dass einen solche Tiere töten wollen, springe ich daher etwas panisch auf. Ich und Natur.

Auf der Weinkarte des Hotels kann man fündig werden und den lauen Frühlingsabend zum Beispiel mit einer Flasche 2015 Leeuwin Estate „Art Series“ Chardonnay beginnen (ca. € 130). Die Speisekarte ist auf üppiger portionierte Vor- und Hauptspeisen ausgelegt und bietet überwiegend Fisch- und Fleischgerichte mit pazifischen Produkten.

Ich bestelle vorweg ein Gericht mit gebratenem Lachs. Der ist von guter Qualität, aber übergart, und kommt mit einigen etwas kreativeren Elementen wie einem (etwas zu süßen) Avocado-Wasabi-Püree und in Yuzu eingelegtem Ingwer (€ 17). Etwas rustikal. (6/10)

Ein frittiertes Entenei ‒ mit recht wenig Eigelb ‒ kommt mit gegrilltem Römersalat und einer pikanten ’Nduja-Paste (€ 16). Das ist würzig-herzhaft und auf ähnlich rustikalem, sättigendem Niveau. (6/10)

Als Hauptgang wähle ich Wagyu-Rind als Sirloin mit Marmorierungsgrad „6+“ (€ 40). Dazu gibt es Erbsenpüree, geröstete Zwiebeln und einen handwerklich makellosen Rotweinjus. Allein die Fleischqualität sorgt hier für ein höheres Niveau. (6,9/10)

Die drei Speisen bleiben meine einzige Erfahrung in diesem Restaurant, da mich das ambitioniertere Pebble Beach des Hotels mehr anspricht.

Informationen zu diesem Besuch
Restaurant: Long Pavilion (→ Website)
Chef de Cuisine: Mark Jensen
Ort: Hamilton Island, Australien
Datum dieses Besuchs: 05.10.2018
Meine Bewertung dieses Essens 6,5 (Was bedeutet das?)
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Pebble Beach (Qualia)

Das Restaurant Pebble Beach bedient das Fine dining-Konzept des Qualia-Resorts. Es hat (nur) fünf Tage in der Woche geöffnet ‒ das sollte der kulinarisch interessierte Urlauber berücksichtigen ‒ und bietet genau ein tasting menu für umgerechnet ca. € 108. Speist man hier wiederholt, passt sich die Küche an und variiert, was bei meinen zwei Besuchen hier angenehm ist.

Das achtgängige Menü beginnt beispielsweise mit Snacks wie Lachs, Gurke und Zitronencreme mit einfacherem Geschmacksbild, aber sehr solider Produktqualität (6,9/10) ‒ oder einmal auch mit (zu kaltem) Wachtelei,Parmsesan und Trüffel, Letzterer als etwas streng schmeckende Paste auf einem recht trockenen Gebäck (6/10).

Deutlich besser sind Gerichte wie sous-vide gegarter Kohl ‒ zart und aromatisch ‒ mit Kombu und Guanciale (Speck) in einem süffigen, salzig-umami schmeckenden Sud. (7/10)

Ebenfalls sehr gut ist meine erste Begegnung mit dem regionalen Krustentier Marron, hier ausgelöst und unter salzig akzentuierten „Kohlrabi-Nudeln“ versteckt, die sehr gut zum Marron passen. Das Krustentier begegnet mir auf dieser Reise noch öfter und wird unmittelbar zu einem Favoriten von mir. Das Tier erinnert mit seinem nussig-süßlichen Geschmack eher an Kaisergranat als an Hummer, hat jedoch eine etwas festere Textur als Letzterer. Ein qualitativ überzeugendes Gericht. (7/10)

Ein lange geschmortes Stück Wagyu-Hochrippe wird danach mit gebratenem Rosenkohl und einem sehr gelungenen Schmorjus mit Karamell und Chili serviert, dessen präsente Süße und leichte Schärfe sehr gut zum Fleisch passen. Etwas Minze setzt einen ‒ im positiven Wortsinn ‒ interessanten Akzent. (7/10)

Im späteren Verlauf des Menüs erwarten einen im Pebble Beach bspw. so etwas wie sehr frische, aromatische Feigen mit Ziegenkäse und Sesam (6,9/10) oder aromatisch intensive Mango mit luftig-knuspriger Meringue, Kokoseis und Pistazie ‒ ein mehr als solides Dessert mit exotischem Geschmacksbild und gelungenem Handwerk (7/10).

In Summe ist dieses angenehme Restaurant mit seinem jungen, kreativen Team eindeutig das beste der Insel.

Informationen zu diesem Besuch
Restaurant: Pebble Beach (→ Website)
Chef de Cuisine: Mark Jensen
Ort: Hamilton Island, Australien
Datum dieser Besuche: 06.10. und 10.10.2018
Meine Bewertung dieser Essen 6,9 (Was bedeutet das?)
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Beach Club

Eine Skurrilität dagegen ist das Restaurant Beach Club des gleichnamigen Hotels. In einem filmreifen 80er-Jahre-Urlaubskitsch-Ambiente sitzt man auf einer Terrasse mit terracottafarbigen Fliesen und blickt auf eine sanierungsbedürftige Poollandschaft. Man möchte eigentlich gleich wieder gehen.

Die Speisekarte des hier durchaus angesehenen Restaurants spricht eine frische, regionale Sprache, doch das Ergebnis ist ernüchternd.

Nach einem Amuse-bouche, bestehend aus einer an sich schmackhaften Kombination von Kalb, Enoki-Pilzen, Chili und Zitrone, der man aber auch gut auf einer Stehparty eines Autohauses begegnen könnte (6/10) folgt ein Gericht mit vollständig geschmacksfreien Kirschtomaten, ebenso neutralem Tomatengranité und geschmacklich abermals nicht wahrnehmbarer Tomatenessenz ‒ ein seltsames Produktproblem, das einer Küche auffallen muss (5/10).

Ein Curry mit Gelbschwanzmakrele, Bandnudeln, Miesmuscheln und anderem Allerlei ist kaum abgeschmeckt und arg zerkocht ‒ die faustgroße Portion Kräuter obenauf verbessert das Gemengsel nicht (6/10).

Als die Fleischgerichte ‒ eines mit zu roh gebratenem Känguru auf Kürbispüree (6/10), ein weiteres mit sägebedürftig zähem und abermals zu rohem Lamm auf einem maßlos überladenen Teller (5/10) ‒ in die Küche zurückgehen müssen, breche ich das Essen höflich, aber schnell ab und flüchte zurück ins Qualia. Im Pebble Beach serviert man mir noch spontan einen sehr guten, sous-vide gegarten Schnapper in einer Chili-Consommé (7/10).

Informationen zu diesem Besuch
Restaurant: Beach Club (→ Website)
Chef de Cuisine: Michael Merrylees
Ort: Hamilton Island, Australien
Datum dieses Besuchs: 08.10.2018
Meine Bewertung dieses Essens 5 (Was bedeutet das?)
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Bommie

Ein weiteres „renommiertes“ Restaurant auf Hamilton Island nennt sich Bommie und befindet sich in dem rochenförmig erbauten Yachtclub der Insel.

Obwohl das Interieur auf den ersten Blick zeitgemäß erscheint, weht einen hier der Charme eines Ortes an, der seine Entfernung zur großen, weiten Welt nicht leugnen kann.

Das viergängige Menü (ca. € 75) mit jeweils mehreren Optionen pro Gang beginnt mit einer Jakobsmuschel von zweifelsfreier Qualität mit pikanter, aromatischer Jalapeño-Vinaigrette und einer etwas dominanten Kokossauce (6,9/10) und fährt fort mit geräucherter Meerforelle, frisch und mit hohem Fettgehalt; dazu gibt es knusprige Tintenfisch-Chips und eine Sauce mit Apfel (6,9/10).

Im Folgenden lerne ich ein weiteres Krustentier kennen, den so genannten Bay Bug (Großer Bärenkrebs), der mich nicht so überzeugen kann wie der ebenfalls regionale Marron. Geschmorter Ochsenschwanz dazu ist überraschend, aber nicht besonders passend. (6,5/10)

Auf ähnlichem Niveau ‒ d. h. gut, aber nicht sehr gut ‒ ist ein „6+“-Wagyu-Flank-Steak mit, u. a., Kohl, eigenartigen Pilzen mit gummiartiger Textur und einem Schmorjus mit Gochujang, einer pikanten Gewürzpaste. Der Jus ist nur knapp dosiert, daher wirkt das alles etwas trocken. (6,5/10)

Ein Dessert mit etwas „stumpf“ schmeckendem Sesameis und ebenfalls trockenen Cheesecake-Stückchen begeistert weniger (6/10); eine weitere Süßspeise mit Valrhona-Schokoladeneis und weiteren Schichten ist besser, aber zu massig (6,5/10).

Nach dem Pebble Beach ist das Bommie damit die einzige ernsthafte Alternative auf der Insel, macht aus ihr aber auch keine kulinarische Pilgerstätte.

Informationen zu diesem Besuch
Restaurant: Bommie (→ Website)
Chef de Cuisine: Trent Dawson
Ort: Hamilton Island, Australien
Datum dieses Besuchs: 09.10.2018
Meine Bewertung dieses Essens 6,5 (Was bedeutet das?)
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