Tourniert: Bologna, Venedig, Florenz, Hamburg

Das neue Jahr beginnt mit einer neuen Ausgabe von „Tourniert“. Hier berichte ich über weitere Restaurants meiner letzten Italien-Reise, einen Italiener in Hamburg, den ich seit 30 Jahren nicht besucht habe, und über ein ganz spezielles Menü im Haerlin.

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→ Drogheria della Rosa, Bologna
→ Dopolavoro, Venedig
→ La Bottega del Buon Caffè, Florenz
→ La Scala, Hamburg
→ Haerlin, Hamburg


Drogheria della Rosa, Bologna

Bologna: Universitätsstadt, Hauptstadt der Region Emilia-Romagna und, nicht zuletzt, Heimatstadt der berühmtesten und vermutlich auch am meisten malträtierten Pasta-Sauce der Welt, dem ragù alla bolognese, kurz ragù genannt.

An einem Sonntagabend ist es hier nicht einfach, überhaupt irgendein geöffnetes Restaurant zu finden, aber ein Tipp des Hotel-Concierges führt mich in die Drogheria della Rosa, einem urigen Lokal in den Räumlichkeiten einer ehemaligen Apotheke.

Aus der nicht umfangreichen, aber sehr brauchbaren Weinkarte bestelle ich eine Flasche Tignanello 2012, die mit € 80 mehr als fair – nämlich gänzlich ohne Aufschlag zum Marktpreis – kalkuliert ist. Antipasti stehen auch schon auf dem Tisch: eine Quiche mit Spinat, etwas Pfeffer-Salami und ein Hartkäse. In Summe ein angenehmer Auftakt für ein unkompliziertes Mahl an einem Sonntagabend. (6/10)

Das ragù folgt auf dem Fuße (€ 12), lässt jedoch zu wünschen übrig. Die Pasta (klassisch: Tagliatelle) ist hausgemacht und von gutem Handwerk, dem Fleischragout fehlt es allerdings an Salz und Süffigkeit. Zwar ist ein klassisches ragù grundsätzlich weit von unserer (deutschen) Idee einer Sauce Bolognese entfernt, doch so weit von gutem Geschmack dann auch wieder nicht. (5/10)

Tortellini in brodo (€ 12), ein weiterer Klassiker der Stadt, bereitet dann nur marginal mehr Vergnügen (6/10); und eine Tagliata (€ 23) stellt sehr gutes Rindfleisch, anständiges Gemüse, aber hoffnungslos vertrocknete Kartoffeln zur Schau. Eine Kaskade an handwerklichem Geschick. (6/10)

Die Küche ist hier auf den ersten Blick authentisch und gut, tatsächlich aber recht dürftig. Die nicht vorhandene Michelin-Empfehlung ist hier gut nachvollziehbar.

Informationen zu diesem Besuch
Restaurant: Drogheria della Rosa
Chef de Cuisine: Emanuele Addone
Ort: Bologna, Italien
Datum dieses Besuchs: 16.10.2016
Meine Bewertung dieses Essens 6 (Was bedeutet das?)
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Dopolavoro, Venedig

Das brandneu auf eine eigene Insel (Isola delle Rose) vor Venedig erbaute Hotel JW Marriott ist eine moderne Luxus-Oase. Fantastische Zimmer mit Blick auf die Lagune, mehrere moderne Restaurants und ein beeindruckendes Grundstück mit großem Garten lassen einen wunderbar von dem Touristen-Trubel der Altstadt entspannen.

Man hat einiges dafür getan, dass man die Hotelinsel abends auch nicht wieder verlassen muss. Das in einem eigenen Gebäude untergebrachte Restaurant Dopolavoro („Feierabend“) zum Beispiel bietet ein spektakuläres Ambiente und eine mit einem Michelin-Stern ausgezeichnete Küche. Verantwortlich dafür zeichnet Giancarlo Perbellini, der für sein Stammhaus in Verona bereits zwei Sterne erkocht hat.

Es gibt drei Menüs, mit vier, fünf bzw. zehn Gängen (€ 98–€ 180). Jedes Gericht ist auch à la carte verfügbar und in diesem Fall seltsamerweise nahezu einheitlich mit € 58 bepreist. Ich entscheide mich für das Menü mit zehn Gängen, das ich um einen Gang reduziere.

Das Menü startet mit einer Batterie an Amuse-Bouches, die signalisiert, dass es sich hier um kreative, verspielte Küche handelt. Es gibt z. B. eine „Zwiebel“ mit Foie Gras und Balsamico; einen „Kürbisschwamm“ mit Haselnuss und ein Sardellen-Sandwich. Das ist alles zwischen mäßig und recht gut, im Schnitt 6,5/10.

Erster Menügang ist rohe Gelbschwanzmakrele in guter Qualität mit Muschelsauce und einer Art überbackenen, knusprigen Schicht Teig-Brösel mit Zitrone. Dazu wird ein Ingwer-Limonen-Brot gereicht. Erst später wird mir klar, dass dieses „Brot-Pairing“ zu den Gängen Konzept ist, ein kulinarisch etwas fragwürdiges allerdings, denn mir ist kaum danach, mich parallel zu jedem Gang noch mit Brot zu sättigen. Das Gericht an sich ist ein durchaus gelungener Start, aber die gesamte Ausrichtung des Essens ist bisher etwas verwirrend. (7/10)

Kalbsbries mit Algen-Ravioli und Popcorn-Creme folgen und bestätigen am Gaumen, was man bereits am fehlenden Glanz erkennt: das Bries ist trocken. Zudem fehlt dem Gericht Salz, und ein dunkler Jus schmeckt fast nach nichts. (5/10)

Ein Risotto mit Paprika hat eine sehr gute Textur, die Kombination mit Rochenflügel ist allerdings wenig überzeugend, und auch hier fehlt Salz. (6,5/10)

Ganz trist ist ein Kaisergranat, dem man Frittieren angetan hat; ein Häufchen glanzloser Linsen retten aus diesem Elend nicht. (5/10)

Besser wird es nur temporär, das Niveau hüpft auf und ab. Die Küche wirkt dabei völlig an den Haaren herbeigezogen, ohne Aussage und dazu vollkommen unitalienisch. Zum „Feierabend“ möchte man dann doch eher etwas Bodenständigeres genießen.

Informationen zu diesem Besuch
Restaurant: Dopolavoro (→ Website)
Chef de Cuisine: Giancarlo Perbellini
Ort: Venedig, Italien
Datum dieses Besuchs: 17.10.2016
Guide Michelin (I 2016): *
Meine Bewertung dieses Essens 6,5 (Was bedeutet das?)
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La Bottega del Buon Caffè, Florenz

Das Herz zweier Dänen, Jeanette and Claus Thottrup, schlägt für Italien. So sehr, dass sie dort inzwischen ein kleines Imperium von Hotels und Gastronomiebetrieben führen, darunter ein Relais & Châteaux-Fünf-Sterne-Luxushotel in der Toskana, eine Kochschule und, unter anderem, ein gemütliches Restaurant im Landhausstil in Florenz, das mit einem Michelin-Stern ausgezeichnet ist.

Warum dem Restaurant diese Auszeichnung gebührt, kann man z. B. bei einem kleinen Mittagessen erfahren.

Zwei kleine, aber mit Bedacht gearbeitete Amuse-Bouches („Tomate“ mit Gänseleberterrine, sowie Lachs mit Apfel und Kaviar) setzen die Weichen für eine ablenkungsfreie, aromenstarke Küche. (7/10)

Ein pochiertes Ei stattlicher Größe kommt mit einer Kürbiscreme, Lauch (aus der eigenen Farm im eingangs erwähnten Hotel), Speck und schwarzem Trüffel (€ 26). Gut, cremig, süffig, aber man muss mit Salz nachhelfen. (6,5/10)

Das wahre Highlight dieses Essens folgt dann mit hausgemachten Taglierini (€ 31), die in einer schlotzigen, cremigen Sauce mit Baby-Calamaretti serviert werden. Man schmeck Säure, vermutlich von etwas Limone, eine leichte Schärfe und elegante Bitterkeit von Safran. Ein fantastisches, glücklich machendes Pastagericht. (7,9/10)

Die danach servierten Pralinen zum exzellenten caffè sind ebenfalls auf höchstem Niveau. Hier speist man nicht wesentlich schlechter als in der dreifach besternten Enoteca Pinchiorri – und dies zu erheblich moderateren Preisen und in angenehmer, freundlicher Atmosphäre.

Informationen zu diesem Besuch
Restaurant: La Bottega del Buon Caffè (→ Website)
Chef de Cuisine: Antonello Sardi
Ort: Florenz, Italien
Datum dieses Besuchs: 20.10.2016
Guide Michelin (I 2016): *
Meine Bewertung dieses Essens 7 (Was bedeutet das?)
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La Scala, Hamburg

Vermutlich das einzige Restaurant, von dem ich behaupten kann, vor ungefähr dreißig Jahren das letzte Mal dagewesen zu sein, befindet sich im Hamburg-Eppendorf an einer unscheinbaren Straßenkreuzung. Ganz in der Nähe bin ich aufgewachsen, und das einzige, woran ich mich in Bezug auf dieses Restaurant erinnern kann, ist ein sehr dunkles Interieur und viele rote Ferrari-Sammlerobjekte. Inzwischen ist das Interieur heller, und die Spielzeugautos wurden durch leere Weinflaschen großer Provenienz ersetzt.

Das La Scala ist auf den ersten Blick ein typischer Italiener an der Ecke, ein Nachbarschaftsrestaurant ohne Anspruch, in dem der Wirt auch noch Mario heißt. Dass das Restaurant auch nicht vom Guide Michelin empfohlen ist, passt in dieses Bild.

An diesem Samstagabend wird mir schnell klar, dass dieses Bild falsch ist. Bereits die Weinauswahl ist sympathisch: sie erfolgt hier nicht über eine Weinkarte, sondern im Dialog mit dem Wirt. Mario Zini scheint ein gutes Gespür für die önologischen Bedürfnisse seiner Gäste zu haben – und wenn er sich mal nicht so ganz sicher ist, holt er eben einfach mal ein Dutzend Flaschen aus dem Keller. Ein fantastischer Barolo (nicht notiert, ich glaube ein 1990er-Jahrgang von Paolo Scavino,  € 220) wird es schließlich an unserem Tisch.

Eine Vorspeise mit knackig frischen Radicchio-Sorten und einem exzellent abgeschmeckten Dressing (€ 13,50) ist dann das erste kulinarische Argument, von der Küche dieses Restaurants einiges zu halten. Wo bekommt man in dieser Stadt schon einen einfachen, guten Salat? (6,5/10)

Hausgemachte Tagliatelle mit frisch gehobeltem weißem Trüffel (€ 36) zeugen von authentischem Handwerk. Das ist ein Wohlfühlteller auf hohem Niveau, bei dem lediglich die Sahnesauce etwas überportioniert ist und die Pasta darin noch recht weit nachgart. Aber keine Frage: ein Genuss! (6,9/10)

Noch besser ist ein Kalbskotelett (€ 34) von ausgezeichneter Qualität und Zubereitung – saftig, zart, scharf angebraten –, das mit exakt gegarten, frischen Gemüsen und einem geschmacksintensiven Bratenjus serviert wird. Eine angenehmes, weil behutsames, Knoblaucharoma deutet unmissverständlich in Richtung Italien. (7/10)

Auch das Dessert, ein kleines Küchlein mit Beeren und Eis, ist einfach und gut. (6,9/10)

Für mich war dies das beste, weil authentischste, italienische Essen in Hamburg. Ich habe hier zweifellos einiges nachzuholen.

Informationen zu diesem Besuch
Restaurant: La Scala
Chef de Cuisine: Mario Zini
Ort: Hamburg, Deutschland
Datum dieses Besuchs: 17.12.2016
Meine Bewertung dieses Essens 6,9 (Was bedeutet das?)
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Haerlin, Hamburg

Über das Haerlin im Fairmont Hotel Vier Jahreszeiten in Hamburg hatte ich erst kürzlich wieder berichtet. Kurz vor Weihnachten kehrte ich erneut hier ein und habe die Ehre, dass Christoph Rüffer und sein Team an diesem Abend einige „Spezialgänge“ für mich kreieren (€ 180) – wissend, dass ich mir in diesem Haus häufig eine klassischere, reduziertere Küche wünschte.

Das Resultat ist in höchstem Maß erfreulich. Die Amuse-Bouches sind zwar noch keine „Spezialanfertigung“, dafür aber so gut, wie noch nie. Ein Stück Thunfisch von hervorragender Qualität wird mit Pfeffer und Quitte auf einem kleinen Baiser serviert und ergibt ein frisches, würziges Ensemble mit Aromen aus Fernost – begeisternd gut! Ein Rindertatar mit Kefir-Kapernsud und Grünkohl ist auf gleichem Niveau, hier überzeugt erneut eine prägnante Frische des Hauptprodukts und die Kombination mit einem säuerlich betonten Sud, der selbst einer so häufig aufgetischten Speise wie Tatar eine ganz neue Geschmacksdimension verleiht. Beides fantastisch. (9/10)

Der erste Gang des Menüs ist dann ein Millefeuille von Gänseleber und schwarzem Trüffel in Armagnac-Gelee. Karamellisierte, stiftförmig geschnittene Zimtäpfel und Brioche komplettieren diese nicht zu verbessernde klassische Darbietung, welche die beste ist, die ich mit Gänseleber in diesem Jahr gegessen habe. (10/10)

Bei einem Medley von Glattbutt und Kaisergranat sorgt ein Bouillabaisse-Jus für betörenden Duft, am Gaumen ist das Gericht so hervorragend und puristisch wie es aussieht. Die Qualitäten der Meerestiere sind sehr gut und gelangen authentisch zur Geltung. Der Jus ist etwas zu süß abgeschmeckt, aber in Summe ist auch dieser Gang ein puristisches Highlight. (8/10)

Ein Kabeljaufilet aus Island schmückt den nächsten Teller, der allein schon aufgrund der Tatsache, dass er tief ist, Freude aufs Schlemmen bereitet. Eine aufgeschäumte Sauce mit Parmesan und Trauben fügt dem Geschmacksbild zwar erneut eine grenzwertige Süße hinzu, aber im Grunde ist das ein prachtvoller Teller mit einem Fisch von fantastischer Qualität. (7,5/10)

Es folgt noch eine exzellente Challans-Entenbrust mit zarter Textur, knuspriger Haut, leicht rauchigem Aroma und einer exzellenten dunklen Sauce. (8/10)

Die erste Dessert-Kreation – „Frankreich trifft Hamburg“ –, die, laut dem Tischkärtchen, neben Baguettechips, -eis, -mehl und -sand auch noch Périgord-Trüffeln beinhaltet, dagegen jedoch penetrant nach weißen Trüffeln oder Trüffelöl riecht, bekomme ich kaum heruntergeschluckt (allenfalls 6/10 wegen des Handwerks), aber ein Baba au rhum, der mit El Dorado Rum aufgegossen wird, zeigt eindrucksvoll, wie gut Patissier Christian Hümbs auch einen solchen Klassiker aus der Hüfte schwingt (9/10).

Wenn man mich fragt – und das hat man mit diesem Menü schließlich – steht der Küche eine etwas klassischere Ausrichtung ausgesprochen gut!

Informationen zu diesem Besuch
Restaurant: Haerlin (→ Website)
Chef de Cuisine: Christoph Rüffer
Ort: Hamburg, Deutschland
Datum dieses Besuchs: 23.12.2016
Guide Michelin (D 2016): **
Meine Bewertung dieses Essens 8 (Was bedeutet das?)
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