Restaurant Schlossberg im Hotel Sackmann

Nicht zu verwechseln mit Christian Baus Gourmet-Tempel Schloss Berg im Saarland, liegt Jörg Sackmanns Hotel und Restaurant Schlossberg an einer Kurve im Ortsteil Schwarzenberg von Deutschlands Gastronomieschwergeschütz Baiersbronn. Über dem Schlossberg strahlt einer der sieben Sterne in diesem Ort; die anderen sechs gehen an das Bareiss und an die Schwarzwaldstube.

Der Weg zum Speiseraum des Gourmetrestaurants führt zuerst durch die beiden gutbürgerlichen Restaurants. Blicke auf die Teller der dortigen Gäste lassen Besseres erhoffen, aber nicht erahnen. Wir erreichen schließlich unseren Tisch in dem orange-gelb-gold-beige gehaltenen Speiseraum.

Nachdem wir etwas zu viel Zeit damit verbringen konnten, uns mit dem Ambiente zu arrangieren und auf einen gastronomischen Ausgleich zu hoffen, können wir schließlich auch unseren kollektiven Wunsch nach einem Glas Champagner äußern. Dieser Wunsch lässt offenbar keinen Raum für weitere Fragen, und der Kellner wendet sich bestätigend, aber genauso abrupt wieder ab, wie er erschienen war. Ob er auch einen Rosé anbieten könne, rufen wir hinterher, er hält inne, verneint und geht weiter seiner Wege. Als der Champagner serviert wird (ich erinnere mich nicht mehr an den Erzeuger), werde ich schließlich auch mein Begehren nach Mineralwasser los.

Die Speisekarte bietet zwei Menüs und keine Auswahl à la carte; ich entscheide mich rasch für das Menü „Schlossberg“ in sechs Gängen (€ 122) , das eine genussreiche Kombination aus Kreativität und guten Zutaten verspricht.

Ich bin ein Freund davon, zwischen den Gängen eines Menüs ausreichend Zeit zu haben. Häufig weise ich auch gerne vor Beginn eines längeren Menüs auf diesen Umstand hin. Mehr Zeit bietet gleich mehrere Vorteile: längere Vorfreude auf den jeweils nächsten Gang, längere Verschnaufpausen sowie in Summe einfach einen längeren genussreichen Abend. Nichts ist Schlimmer, wie bspw. in manchen Restaurants in den USA üblich, als durch das Menü gescheucht zu werden, da der Tisch dreimal pro Abend vergeben wird.

Wie gesagt, die Rede war von ausreichend Zeit. Wandelt sich nämlich irgendwann die Vorfreude auf den nächsten Gang in Ungeduld und, schlimmer noch, in Hunger, der durch Brotknabbern gestillt wird, dann baut die Genusskurve rapide ab. Hier im Schlossberg ist dies jedoch heute Abend leider die Regel, und so verputzen wir bis hin zum Dessert bestimmt drei Brotkörbe. (Warum steht in einem Gourmetrestaurant überhaupt ein Brotkorb auf dem Tisch?)

Nun wäre es eigentlich Aufgabe der Küche, die langen Wartezeiten mit mindestens sehr guten Gerichten auszugleichen (und damit vielleicht auch zu erklären). Leider geschieht dies nicht.

Der Gruß gefällt: ein Gläschen lauwarme Linsen mit einer Nocke Kaviar und einem Wachteleigelb. Leider dominieren die Linsen sehr, sodass der Kaviar etwas untergeht.

Der erste Gang, Blauer Hummer auf Pomelo-Tomatenconfit mit Sojamousse, Sesamcrumble und Yuzuspaghetti (s. o.) ist aufwändig und verspielt. Der homöopatisch dosierte Hummer in rasierklingendünnen Tranchen verliert seine Finesse leider im restlichen Allerlei, und es entsteht ein insegsamt viel zu diffuses Geschmackserlebnis. Die Yuzuspaghetti enttarnen sich als „molekulare“ Spielerei, die dem Gericht rein gar nichts Geschmackliches oder Sensorisches beisteuern kann.Trotz aller Fischgerichte ist uns nach Rotwein, und wir begleiten die ersten Gänge derweil mit einem 2002 Echézeaux der Domaine Mongeard-Mugneret, der mit seinen würzigen Noten sehr schmeicheln kann. Wenigstens einer, auf den Verlass ist!

Nach langer Wartezeit und noch mehr Brot wird der zweite Gang serviert, Steinbutt mit Shiitakepilzen, Pondycherry-Pfefferöl, Flusskrebsen, Meeresalgengelée und Agrianocken. Ich bin ein großer Freund von Steinbutt, aber glücklicherweise habe ich diesen nicht hier lieben lernen müssen, sondern in Restaurants wie dem Jacobs Restaurant und dem Fischers Fritz. Die Sauce beim Steinbuttgericht ist eine große Blamage; sie schmeckt nach einer Mischung aus Butter, Mehl, Zucker und Wasser; ein kleines Bisschen wie eine Art Mehlschwitze, die auf ihren weiteren Einsatz auf dem Weg zu einer guten Sauce wartet, hierzu jedoch nicht mehr kam.

Auch die dann folgende bretonische Seezunge in Nussbutter mit Ingwersud, Octopus, Kapernbeeren und Buchweizennudeln überzeugt nicht; ich lasse sogar Teile des Gerichts auf dem Teller - ein äußerst seltenes Vorkommnis. Unlängst ist die Enttäuschung groß. Kein Gericht könnte den Gesamteindruck jetzt noch so radikal wandeln, wie es nötig wäre, um doch noch ein gutes Fazit ziehen zu können.

Unsere zweite Weinbestellung, ein 1995er Ch. Canon-la-Gaffelière, entlockt "unserem Kellner" ebenfalls keinen Kommentar. Offensichtlich ist er über alle Maßen erleichtert über die Entschlussfreudigkeit meiner Bestellungen und über die Tatsache, dass auch dieser Wein nicht der billigste auf der Karte ist.

Während wir uns in der Wartezeit auf den nächsten Gang nun unserem neuen Weinglas zuwenden, sticht sofort das Depot ins Auge, oder besser in den Gaumen, das üppig in jedem unserer Gläser schwimmt. Ganz offensichtlich wurde die Flasche nicht sorgfältig dekantiert. Wir beklagen diesen Umstand, der Kellner verschwindet kurz, und wir beobachten, wie er außerhalb des Speisesaals den Wein durch eine Serviette filtriert. Dieses sehr befremdliche Manöver (ist das Waschmittel jetzt im St.-Emilion?) mag vielleicht akzeptabel sein, aber ich erwarte in dem Fall zumindest eine Rücksprache und die Option auf eine neue Flasche. Wir sagen jedoch nichts. Es gibt Momente, an denen man einfach alles Weitere sprachlos über sich ergehen lässt.

Der nächste Gang, Rehrücken in Zimtblätterjus mit Honig-Fenchelchutney, Chicoree-Parpadelle und Carré-Kartoffeln ist ausnahmsweise gut, Fleisch und Sauce überzeugen.

Wir fahren fort mit der Rohmilchkäseauswahl, die unser Kellner auswendig, aber wortkarg und lieblos rezitiert. Dazu wird die obligatorische Tessiner Feigensenfsauce gereicht, die mittlerweile wohl in jedem gut sortierten Kühlschrank zu Hause ist. Selbst Käse habe ich bereits bessere gegessen, aber der Frust isst bestimmt mit...

An das Dessert und die sonstigen süßen Sperenzchen, die uns dann noch gereicht werden, habe ich keine Erinnerung mehr. Ursache für diese Gedächtnislücke ist nicht etwa die frappierende Belanglosigkeit der Süßigkeiten, sondern ganz bestimmt die nun folgende Untat, die an Geschmacklosigkeit (im wahrsten Sinn) nur wenig zu überbieten ist: der Kellner Serviert uns unaufgefordert einen Mouton Cadet Sauternes 2006.

Warum, um alles in der Welt, existiert ein solcher Supermarktstropfen in einem Sternerestaurant? (Der Wein hat mit einem Sauternes erwartungsgemäß nichts zu tun: hellgelb im Glas, ein Geruch nach süßlichem Alkohol und ein süßsaurer Geschmack.) Und warum wird uns überhaupt dieser Wein serviert? Hat niemand bemerkt, dass wir Freunde guter Weine sind? Wir konfrontieren den Kellner mit diesen Fragen, auf die er auch keine Antwort hat.Schlussendlich bleibt eine weitere Erfahrung ‒ von denen ich auch negative wie diese für wichtig erachte ‒ und die Erkenntnis, dass man sich in Baiersbronn lieber dort niederlässt, wo die Sterne heller leuchten.

Informationen zu diesem Besuch
Restaurant: Sackmann (→ Website)
Chef de Cuisine: Jörg Sackmann
Ort: Baiersbronn, Deutschland
Datum dieses Besuchs: 06.11.2009
Guide Michelin (D 2009): *
Meine Bewertung dieses Essens 5 (Was bedeutet das?)