Meta – mehr als man verspricht

Nein, nein, der Name hat weder etwas mit dem Technologie-Riesen zu tun noch, überraschenderweise, mit der eigentlichen Bedeutung des Begriffs im Sinne von etwas Darüberstehendem. »Meta« ist hier schlicht eine Abkürzung für Metamorphose, womit sich der aus Südkorea stammende Küchenchef und Inhaber Sun Kim laut Website etwas pauschal auf den »stetigen Wandel des Gastgewerbes« sowie, etwas präziser, auf die Evolution der eigenen Küche im Restaurant bezieht.

Viel mehr habe ich auch gar nicht recherchiert, als ich meine Reservierung fürs Meta vor wenigen Tagen getätigt habe. Da war ich auch schon hier in Singapur vor Ort. Ich hatte zwar eine lose angedachte Reservierung im Steak-Restaurant Cut von Wolfgang Puck im Kalender stehen, aber beim Stöbern nach weiteren Adressen fiel mir das Meta auf. Letztlich erschien mir die Kombination aus Michelin-Stern, Platzierung in den Asia’s 50 Best Restaurants sowie einem modernen Internetauftritt mit ansprechender Fotografie einer modernen koreanischen Küche vielversprechender. So sinnbefreit die genaue Rangfolge der in den World’s 50 Best platzierten Restaurants auch ist, hilft die Liste dabei, einen bestimmten Typus von zeitgemäßer, hochwertiger Gastronomie zu identifizieren – ich habe mich dazu schon öfter geäußert.

Als ich das Restaurant um kurz vor zwölf an diesem Samstagmittag betrete, bin ich noch der erste Gast. Ich werde von einem förmlich gekleideten, freundlichen Serviceteam empfangen, ebenso wie von der in der offenen Küche versammelten Brigade. Viel Holz in hellen Schattierungen, ein kleiner Bartresen sowie sieben schlicht eingedeckte Tische bestimmen das freundliche, aber sachliche Interieur des kleinen Restaurants.

Das Meta bietet ein Lunch-Menü an (SGD 198, ca. € 130) und eine Weinkarte, bei der ich mich heute Mittag nur auf die offenen Positionen konzentriere. Es gibt verschiedene hochwertige Champagner, Sake und Wein, die meisten aus Frankreich, also so, wie man es von einem modernen Restaurant dieses Typs erwartet. Ich beginne mit einem Glas 2019er Puligny-Montrachet von der Domaine Joseph Pascal (ca. € 27) und freue mich über die erste kulinarische Einstimmung, die wenig später meinen Platz erreicht. Das Restaurant ist mittlerweile fast bis auf den letzten Platz besetzt. (Samstagmittags so speisen zu können: Da kann ich als Hamburger immer nur ungläubig mit dem Kopf schütteln.)

Ein präzise gebackener sablé mit quaderförmiger Foie-Gras-Terrine, getoppt mit fruchtigen Zubereitungen von Kaki und Chinesischer Jujube (eine Beere) sowie Pinienkernen, stellt einen sehr ansprechenden, noch leicht französisch angehauchten Einstieg dar. (7/10)

Ein »Sandwich« aus hauchdünnem Sesamgebäck mit, dazwischen, nicht weniger als hochwertigstem Thunfischbauch (ōtoro) mit betörendem Schmelz, dazu Schichten von Zubereitungen mit Perilla, Eigelb und Lachsrogen, macht dann einen deutlichen Schwenk nach Asien und erfreut mit weiterer handwerklicher Präzision und fabelhaften Produkten. (7,5/10)

Ein Gimbap, Koreas Variante des japanischen Gunkan, präsentiert sich hier in Form eines Schiffchens aus Seetang, gefüllt mit Reis und einem Tartar von üppigem Wagyu-Rind, getoppt mit geriebenem Comté. Die glücklich machende Gaumenfreude ist pures Umami, gepaart mit abermals üppigem Schmelz, leichter Schärfe und maritimen Aromen. (7,5/10)

Der nächste Snack lautet auf Twigim, eine Art Tempura, hier in Form von frittierten Tintenfischfäden, die um ein Röllchen aus gegartem Tintenfisch und Alge gewickelt sind; dazu gibt es Kimchi-Salz und eine pikante Sauce zum Dippen. Das Röllchen ist wunderbar knusprig, der Tintenfisch im Inneren offenbart mit einer angenehm bissfesten Textur eine optimale Garung. Eine würzige, exotische Schärfe rundet die sensorisch, handwerklich und geschmacklich hervorragende Kreation ab. (8/10)

Genauso fein geht es weiter, mit einem Taco, der unter anderem mit mariniertem Wagyu, Ssamjang-Sauce und Koriander gefüllt ist. Der Fingersnack nimmt erneut Bezug auf die koreanische Herkunft der Küchenchefs, indem, laut Speisekarte, die Fleischzubereitungen Bossam und Tteokgalbi referenziert werden. Ohne diesen Bezug in Gänze entschlüsseln zu müssen, ergibt sich am Gaumen ein zartes, würziges und leicht florales Geschmacksbild, das erneut leicht pikant und von großer handwerklicher Präzision ist. (8/10)

Gyeran-jjim, dann folgend, ist die koreanische Version von Chawanmushi. Ein solches wurde für diesen Gang mit einem aromatischen, dunklen Jus aus Schweinsschnauze aufgegossen, dazu gibt es weißen Kimchi, Australische Fingerlimette, Seeigel aus Hokkaido und etwas Périgord-Trüffel. Die kleine, akkurat angerichtete Speise, ist – wie man es von der Anhäufung an Weltklassezutaten erwarten kann – nicht weniger als phänomenal. Die Hitze des Eierstichs, der erdige Duft von Trüffeln und die jodigen Aromen des Seeigels sorgen für Gänsehaut, geschlossene Augen und etwas Unverständnis, hier »nur« in einem einfach besternten Restaurant zu sitzen. (10/10)

Es geht weiter mit einer Auster mit »koreanischen Aromen«, mehr wird nicht verraten. Das kleine Intermezzo, das nicht im Menü steht, überzeugt auf ganzer Linie mit einer herausragenden Qualität der Auster und einem Geschmacksbild, das man wegen der Zusammensetzung von Schärfe, Säure und Salz in Verbindung mit an Kimchi erinnernde Aromen eindeutig in Korea verortet. Abermals hervorragend. (8/10)

Ich bin ganz begeistert von der Stilistik und Qualität aller Gerichte bisher. Das weckt auch Erinnerungen: Viele der Restaurants, die ich Ende 2019 in Seoul besucht hatte, servierten Gerichte mit vergleichbaren Aromen und, vor allem auch, mit einer ähnlichen Ästhetik. Der nächste Gang untermauert diese Empfindung.

Bildhübsch zieren zwei Tranchen roher Makrele den nächsten Teller. Die blassrosa Scheiben sind in einer orangegelben Eigelb-Pozu-Sauce angerichtet, eine großzügige Nocke Kaviar ist in dem Stillleben fast unsichtbar. Die exzellente Makrele hat eine angenehme Dicke und Dichte, ist dabei aber geschmacklich federleicht; ihr filigranes, maritimes Aroma wird vom Kaviar unterstützt, während die üppige Sauce Schmelz und Umami beisteuert. Ein wunderbar puristischer Gang mit präziser aromatischer Balance. (8,5/10)

Ähnlich fährt das elegante Menü mit einer gefüllten Zucchiniblüte fort. Deren grobe Farce aus Schweinefleisch, Garnelen und Glasnudeln ist würzig-herzhaft; ein reduzierter Jus mit pikanter Gochujang-Würzung passt dazu genauso exzellent wie die Auflockerung durch ein Stück gegrillte Zucchini. Die koreanischen Aromen sind hier erneut sehr akkurat herausgearbeitet. (7,5/10)

Etwas umfangreicher geht es mit einem Duo von Kinmedai (Glänzender Schleimkopf) und Trogmuschel weiter. Der kostbare Fisch mit seinem einzigartigen, üppig-zarten Fleisch wurde auf der Hautseite inklusive Schuppen knusprig gebraten. Ich bin nicht der größte Freund dieser Methode, weil die Schuppen dabei unangenehm scharfkantig werden können; nicht so in diesem Fall, hier ergeben sie am Gaumen einen filigranen Knusper-Effekt. Die bissfeste Muschel mit mildem Meeresaroma passt schlüssig dazu, und eine mit Fischfond reduzierte Beurre Blanc mit Kräuteröl komplettiert die maritime Komposition, die erneut durch hohe Qualitäten und präzises Handwerk begeistert. (8/10)

Die inzwischen elfte Annehmlichkeit ist ein Gericht mit Wachtel. Die außen knusprig braun, innen saftig rosa gebratenen Wachtelteile sind zu akkuraten Zylindern geformt und mit Foie Gras gefüllt, ein duftender, reduzierter Trüffeljus ziert den Fond des Tellers. Der unverkennbar französische Einschlag des Gerichts wird durch eingelegte Gemüse (Jangajji) kontrastiert, die fein säuerliche Noten beisteuern und die klassische Komposition spielerisch beleben. Das Gericht ist auf souveränem Weltklasseniveau. (9/10)

Den herzhaften Teil des Menüs – inzwischen mit deutlich größeren Portionen – schließt Küchenchef Kim mit einem »koreanischen Barbecue« ab. An solche Gerichte habe ich beste Erinnerungen aus Seoul; Hanwoo-Rind, das kaum exportiert wird, war dort oft ein Teil der hochwertigen Menüs. Hier in Singapur verwendet man qualitativ nicht minderwertigeres Kagoshima-Rind »A4« aus Japan, das für diesen Gang ganz puristisch in Form von zwei fingerdicken, quaderförmigen Tranchen auf einem der Teller liegt. Die appetitanregende Fettmarmorierung ist dabei gut zu erkennen. Dazu gibt es eine Schüssel mit Reis – am Tisch aus einem separaten Gusseisentopf angerichtet –, gekocht aus einer Sorte aus dem Norden Südkoreas, würzig angemacht mit Knoblauch und Schnittlauch. Der Reis ist mit seiner luftigen, aber doch kompakten Textur, feinem Schmelz und einer anspruchsvollen »Geschmackstiefe« auf vergleichbarem Niveau wie die Reisgerichte, die man in den besten Restaurants Japans zum Schluss eines Menüs bekommt. Ich lasse nicht ein einziges Korn in der Schüssel übrig. Zwei verschiedene Zubereitungen von Kimchi liefern knackige Frische (durch eine nicht fermentierte »Salat«-Version) und kühle Temperaturen (durch eine klassische, fermentierte Version, die angenehm säuerlich, aber nicht zu extrem, nach den typischen Aromen des Gärprozesses schmeckt). Die Qualitäten, die klaren Aromen und die handwerkliche Ausführung aller Bestandteile dieser Komposition sind atemberaubend gut und bescheren noch einmal unvergesslichen Genuss gegen Ende des Menüs. (10/10)

Das erste Dessert ist eine zauberhafte Kreation aus roter Bete (als Sorbet) und einem Schaum aus der in Korea so genannten »Fünf-Geschmäcker-Beere« (omija). Letztere fasziniert durch das gleichzeitige Ansprechen fast aller Grundgeschmacksrichtungen und einem fruchtigen Aroma. Leichtes Merignue-Gebäck liegt auch noch obenauf, und Perillablüten fügen ihre übliche Portion Magie hinzu. Das Dessert ist beerig, angenehm kühl, genau richtig gesüßt und wirkt mit seiner Leichtigkeit und den bezaubernden Aromen wie aus einer anderen Welt. (8,5/10)

Der nächste süße Streich ist eine Kreation mit einem traumhaft cremigen Rum-Süßkartoffeleis, verführerisch karamellisierten Pekannüssen und Kastanieneis (in Spaghettiform). Ein leichtes, von der Süßkartoffel stammendes Raucharoma, umspielt dabei fein die ansonsten dominierenden Nuss-Karamell-Noten. Das ist so köstlich wie ein Dessert nur sein kann und handwerklich erneut auf makellosem Niveau. (9/10)

Einige Petit-Fours in braungelber Farbwelt um Zutaten wie Banane, Bergamotte, Pistazie, inklusive eines überraschend hervorragenden, kühlen und leicht pikanten Ingwertees mit Pinienkernen, lässt meine Begeisterung auch zum Schluss nicht abklingen. (8/10)

Mein letztes Mittagessen in Singapur war ein kulinarisches Highlight. Das hohe Niveau der Küche ist weit entfernt von dem attestierten Michelin-Stern, was in einer solchen Diskrepanz selten zu erleben ist. Das »Meta« hat zweifellos Potenzial zu deutlich höheren Weihen. Beschwingt über meine Entscheidung, hier doch noch reserviert zu haben, spaziere ich noch ein wenig durch Chinatown. Das regt den Metabolismus an.

Informationen zu diesem Besuch
Restaurant: Meta (→ Website)
Chef de Cuisine: Sun Kim
Ort: Singapur
Datum dieses Besuchs: 13.11.2021
Guide Michelin (SG 2021): *
Meine Bewertung dieses Essens: 8,5 (Was bedeutet das?)
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