Toc Toc ‒ Heimisches ganz fern

In einem etwas verwinkelten, hügeligen Teil von Seouls besser betuchtem Stadtteil Gangnam-gu findet man das derzeit sehr populäre Restaurant Toc Toc im zweiten Obergeschoss eines Geschäftsgebäudes.

Das Restaurant ist weder ein Geheimtipp noch besonders exklusiv. Auch dem Guide Michelin ist das Restaurant lediglich eine Empfehlung wert. Dennoch scheint Küchenchef Kim Dae-cheon einiges richtig zu machen. Hört man sich bei essbegeisterten Globetrottern um, fällt bezüglich der südkoreanischen Metropole fast immer auch der Name Toc Toc.

Die Einrichtung ist elegant und könnte mit der sachlichen, blaugrauen Farbgebung glatt als hanseatisch durchgehen. Es gibt hier auch keine koreanische Küche, sondern moderne europäische. Was das bedeuten soll, werde ich gleich herausfinden. Und wer sich fragt, warum ich aus Europa nach Seoul fliege, um dort dann europäische Küche zu essen, den würde ich schon mühelos mit der angenehmen Atmosphäre hier überzeugen, warum das eine gute Idee ist.

An einem Samstagmittag mit einem Fahrstuhl in ein fensterloses, schickes Restaurant zu fahren, um dort ein Tasting-Menü zu essen, würde bei uns zu Lande kaum jemandem in den Sinn kommen. Hier in Seoul ist es anders; der Laden ist später vollbesetzt, alle sind sichtlich an Essen interessiert. Überspitzt gesagt, verhält es sich sogar so: wenn man heutzutage in einem beliebigen Restaurant auf der Welt überproportional viele Asiaten in auffälligen Designerklamotten sieht, die alle an ihrem nächstem Instagram-Post frickeln, kann man davon zwar halten, was man will, aber es ist immer ein starkes Indiz dafür, dass es sich um ein Restaurant handelt, das einen Besuch lohnen könnte.

Das Menü (ca. € 47) bietet zwischen Amuse-Bouches und Desserts drei Gänge mit jeweils zwei bis drei Optionen, die nur vage nach ihrer Zubereitungsart oder ihrem Hauptprodukt benannt sind. Die Weinkarte verfolgt keine Agenda und beinhaltet viele Volltreffer, zum Beispiel einen offenen 2017er Chardonnay „Nuits Blanches“ vom kalifornischen Weingut Au Bon Climat (€ 17).

Dazu passt zufällig das erste Amuse-Bouche in Form eines buttrigen Toasts mit einem Champignon aus der Region und Mascarpone perfekt. Ein vegetarisches Arancino ‒ eine sizilianische Spezialität ‒ gefällt durch Hitze, krosse Textur und einer Zitronensauce. 7/10 für diesen einwandfreien, präzise gearbeiteten Auftakt.

Eine weitere Vorspeise ist eine Kürbissuppe mit einem mit frittierten Teigfäden umwickelten Fisch, dessen Name ich nicht verstanden habe. Die leuchtend gelbe Suppe vom Butternutkürbis schmeckt unverfälscht und cremig, der Fisch geht in seiner frittierten Ummantelung geschmacklich etwas unter, ist aber von erkennbar guter Qualität. Etwas Salz fehlt auch. Hier fehlt lediglich etwas Justierung. (6,9/10)

Es folgt ein Sashimi von der Bernsteinmakrele mit einer „Salsa sauce“. Diese redundante Bezeichnung beschreibt hier einfach nur eine leichte, auf Tomate und Zitrusfrüchten basierende, etwas pikante Sauce. Der kühle Fisch ist von fabelhafter Qualität und hat eine sehr ansprechende Textur. Das säurebetonte Gericht mit blumiger Zitrusnote ist geschmacklich und qualitativ hervorragend. (7,9/10)

Steinbutt mit einer Miso-Beurre-Blanc, Kirschtomaten und anderem, koreanischem Gemüse überzeugt vor allem durch eine sehr gute Sauce mit leichter Zitrusnote. Das Gericht versteckt seine klassische französische Basis nicht, lediglich der Fisch ist einen Hauch zu trocken. (6,9/10)

Es folgen hausgemachte Tagliatelle, schön al dente gekocht, serviert mit einer cremigen Parmesan-Trüffel-Sauce und einem Eigelb, das man für weitere Cremigkeit einfach mit der Pasta verrührt. Das einzige, was dem süffigen Wohlfühlgericht fehlt, ist ein Berg frisch gehobelter Trüffeln. (7,5/10)

Das Dessert ist ein Millefeuille mit Vanillecreme, frischen Feigen und einem Cassis-Sorbet. Wenngleich der „Millefeuille“ seinem Namen ‒ wegen der fehlenden Schichten ‒ zwar nicht die größte Ehre macht, ist das Dessert geschmacklich dennoch einwandfrei und erinnert an Kreationen aus Patisserien in Paris. (7/10)

Madeleines mit Kastanie und viel guter Butter halten dieses Niveau und beenden ein ungezwungenes Mittagessen, das in Anbetracht meiner bevorstehenden Reservierung am Abend doch etwas umfangreicher ausfiel als geplant.

Wer auch in der Ferne offen dafür ist, „heimische“ Küche zu probieren, wird in Seoul im Toc Toc mit modernen Gerichten auf französischer Basis und einer urbanen Atmosphäre belohnt. Für mich ist selbst dafür kaum ein Weg zu weit.

Informationen zu diesem Besuch
Restaurant: Toc Toc (→ Website)
Chef de Cuisine: Kim Dae-cheon
Ort: Seoul, Südkorea
Datum dieses Besuchs: 05.10.2019
Guide Michelin (Seoul 2019): Empfohlen
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