Japan 2023 – Vorbereitungen

Es gibt schon so viel zu berichten. Dabei hat meine vierte Reise nach Japan bisher nur am Computer stattgefunden. Und ein bisschen auf Papier. Die Frage war auch nur, wann ich Japan wieder in Angriff nehme, nicht ob. Die Pandemie hatte diese Entscheidung einerseits vertagt, andererseits beschleunigt. Nach Lockdowns und Airline-Chaos war zunächst lange nicht an weite Reisen zu denken. Doch je länger ich nicht weit reisen konnte, und je länger mir bestimmte Genüsse, Geschmäcker, Düfte, Anblicke und Aromen verwehrt blieben, umso mehr habe ich Japan vermisst, ästhetische Details wie parallele Holzstreben, Schattenwürfe, Stillleben, das Abwesende, das Unverständliche, der appetitlich säuerliche Duft von Tresen aus Hinoki-Holz, Wasabi und Sojasauce, das fesselnde Handwerk von Köchen, Traditionen und Kuriositäten.

Kiyomizu-dera, Kyoto (März 2017)

Im Herbst letzten Jahres, ein Montagnachmittag, buchte ich schließlich Flüge für den Sommer. Flexibel zwar, und noch weit in der Zukunft, aber entschlossen. Mit vierzehn Tagen zwischen Hin- und Rückflug. So fing vor zehn Monaten alles an. Mitte Juli geht es los.

Weiße Leinwand

Die vierzehn Tage waren dann eine weiße Leinwand, die ich füllen musste. Ich verwende für meine Reiseplanungen immer eine triviale Excel-Tabelle. Jede Spalte ist ein Tag. Allmählich entstehen dann einige Fixpunkte. Die drei Michelin-Sterne sind nach wie vor der rote Faden meiner Genusspassion. Von den derzeit einundzwanzig Restaurants in Japan mit dieser Auszeichnung habe ich zehn noch nicht besucht, zehn einzelne Gründe, um eine ganze Reise anzutreten.

Glücklicherweise hat der Guide Michelin inzwischen die Praxis fallengelassen, hin und wieder Sondereditionen für spezielle Regionen in Japan zu publizieren. Seitdem findet man Drei-Sterne-Restaurants nur noch in den Metropolregionen Tokio, Kyoto und Osaka.

Die Drei-Sterne-Restaurants sind zwar längst nicht mein einziges Ziel, doch es ist das am einfachsten zu formulierende. Wenn man einmal die Öffnungs- und Schließungszeiten herausgefunden hat, kann man ein wenig anfangen, zu jonglieren. Ein paar Restaurantnamen in die Spalten schreiben und wieder verschieben. Oft bleiben Sonntage und Montage unbesetzt, Mittagessen gibt es auch nicht immer, Internetseiten sind noch seltener.

Ich konnte dann irgendwo in meine Excel-Tabelle drei Schnitte machen: zwischen Tokio und Kyoto, zwischen Kyoto und Osaka und dann noch einmal ganz rechts zwischen Osaka und Tokio, weil es von da auch wieder zurückgeht. Die Idee einer letzten Nacht in Tokio hat auch etwas sehr Stimmungsvolles, Melancholisches, Lost in Translation-mäßiges. Noch einmal die Lichter sehen, vom soundsovielten Stock eines Hotels, verschwommen, durch Augen voller Abschiedstränen.

New York Bar, Park Hyatt Tokyo (Januar 2019)

Um die Ecke denken

Die Trennlinien in der Reiseplanung sind wichtige, aber zunächst nicht in Stein gemeißelte, Fixpunkte. Hierbei mache ich mir zunutze, dass man bei Hotels immer eine flexible Rate buchen kann, die leicht änderbar ist. Mein erster Entwurf sieht eine Woche in Tokio, drei Tage in Osaka und vier in Kyoto vor, bevor es über Tokio wieder zurück geht. Eine Änderung dieses Plans war bis heute nicht nötig.

Für mich sind schöne Hotels ein wichtiger Baustein einer solchen Reise. Hotels sind das Zuhause in der Ferne. Man muss gerne täglich in sie zurückkehren und dort verweilen wollen. Großen Wert lege ich dabei auf Architektur, Ästhetik, Design, Ausblick, Ruhe und Privatsphäre.

Ritz-Carlton Kyoto (März 2017)

Zudem spielen Hotels eine wichtige Rolle, um überhaupt mit Japan kommunizieren zu können. Meine erste E-Mail an die Hotels in Tokio, Osaka und Kyoto beinhaltete neben einigen einleitenden Worten dann auch eine erste Agenda für Restaurantreservierungen. Ich habe dabei immer versucht, so viele Informationen wie möglich unterzubringen – nicht nur, wann ich beabsichtige zu essen, sondern auch, dass ich mich mit den Gepflogenheiten der japanischen Esskultur bereits auskenne und diese respektiere. Die Schwierigkeit, gute Restaurants in Japan zu reservieren, liegt überwiegend darin begründet, dass die Gastronomen schlechte Erfahrungen mit ausländischen Gästen gemacht haben. No-shows, Verspätungen, unangemessene Kleidung, unangemessene Lautstärke, zu viel Parfüm, keine Erfahrung mit diversen Zutaten und Gerichten. Man kann es ihnen nicht verübeln. Gerade deshalb ist es von Anfang an wichtig, etwaige Zweifel zu minimieren.

Bei meinen vorherigen Japan-Reisen waren die Concierge-Teams der Hotels unabdingbar für die meisten Reservierungen. Aber die Situation hat sich verändert. Viele Restaurants nehmen Reservierungen inzwischen offiziell nur noch über Online-Plattformen wie TableAll oder Omakase entgegen. Der Unterschied zu »westlichen« Diensten wie OpenTable usw. besteht darin, dass man auf den japanischen Plattformen Reservierungsanfragen stellt, die dann von Mitarbeitern dieser Dienste bearbeitet werden. Dies erfolgt dann nach wie vor in persönlicher Absprache mit den Restaurants. Kommt eine Reservierung zustande, ist eine Bearbeitungsgebühr fällig, z. B. zehn Prozent des Menüpreises. Manchmal ist auch schon der gesamte Menüpreis im Voraus fällig, fast immer jedoch mit einer Stornierungsmöglichkeit. Wenn man viele Reservierungen tätigt, ist es eine gute Idee, die Konditionen und evtl. bereits bezahlte Menüpreise zu notieren, um vor Ort nicht den Überblick zu verlieren.

Gion, Kyoto (März 2017)

Leider vereinfachen die Online-Dienste das Reservierungsprocedere nicht immer. Gerade die Spitzenrestaurants verraten oft nicht, wann sich neue Reservierungsfenster öffnen. Rückfragen bei den Online-Diensten oder den Hotel-Concierges können hierbei genauso hilfreich sein wie regelmäßiges Ausprobieren. Ein Hotel-Concierge erklärte mir in einer sehr ausführlichen E-Mail, dass die Online-Dienste zudem so etwas wie einen internen Status nutzen, um besonders zuverlässigen Kunden einen Vorzug zu geben. Wer also noch nie eine Reservierung über einen solchen Dienst gebucht und angetreten hat, hat von vornherein schlechtere Karten.

Nach und nach habe ich Erfolge erzielt. Es hilft nach wie vor, viel zu kommunizieren, sich immer wieder – höflich, aber beharrlich – auf die Agenda zu bringen. Ich kann ebenfalls verraten, dass es nützlich ist, um die Ecke zu denken. Das Drei-Sterne-Restaurant Kashiwaya in Osaka ist z. B. Mitglied der Hotel- und Restaurantvereinigung Relais & Châteaux. Erst über diese Website gelangt man über diverse Klicks zu Kontaktmöglichkeiten zum Restaurant. Auf diese Weise war es mir möglich, auch hier einen Reservierungserfolg zu erzielen. Ich habe in zwei Fällen sogar Briefe geschrieben, auf Englisch, und sie per Einschreiben an die Restaurants geschickt. Ein Brief aus Deutschland in der Hand des Küchenchefs hat Gewicht, so etwas wird in Japan ernst genommen. Und nur darum geht es. Wochen später erhielt ich über den Umweg des Concierge-Teams (ich erwähnte mein Hotel in dem Brief) schließlich die Information, dass eine Reservierung für mich getätigt wurde – und das in einem Restaurant, bei dem selbst das Hotel keine Reservierung tätigen konnte.

Nach aktuellem Stand habe ich sieben Drei-Sterne-Restaurants buchen können, die meisten davon über eigene Bemühungen. Die drei übrigen haben entweder während meiner Zeit vor Ort geschlossen oder waren ausgebucht.

Fushimi Inari-Taisha, Kyoto (März 2017)

Pizza & Co.

Die Drei-Sterne-Restaurants waren fast der einfachere Teil. Denn so sehr meine Richtschnur zwar die Drei-Sterne-Restaurants sind, habe ich kulinarisch natürlich noch ganz andere Dinge auf meiner Liste. Einfaches Essen, von Pizza über Ramen bis Tonkatsu, gibt es in Japan in Hülle und Fülle auf atemberaubendem Niveau. Gerade Mittags sind solche Dinge ideal, wenn vielleicht am Abend ein aufwändigeres Essen bevorsteht.

Wenn man sich erst einmal durch verschiedene Möglichkeiten gewühlt hat – mithilfe von Social Media, Bewertungs-Websites wie OAD, dem Guide Michelin, den Hotel-Conceriges und Google Maps – fängt alles wieder von vorne an. Öffnungszeiten und Reservierungsgepflogenheiten heraussuchen, langsam den Terminkalender füllen, Kontaktmöglichkeiten suchen. Gerade bei einfacheren Restaurants ist Letzteres aber meist vergebens. Nach und nach wird man schlauer, weiß, dass man bei einem bestimmten Ramen-Restaurant 90 Minuten in der Schlange stehen, bei einem anderen über Omakase buchen muss.

Eine weitere Reservierungs-Skurrilität hat sich bei einem Pizza-Restaurant ergeben. Nach der Meinung vieler kommen einige der besten Pizzen der Welt inzwischen aus Tokio. Einer der derzeit renommiertesten Pizzaläden befindet sich, eher unerwartet, im 38. Stock einer großen Hotelkette. The Pizza Bar on 38th ist ein kleines Tresenlokal im Hotel Mandarin Oriental in Tokio. Es gibt eine Online-Reservierungsmöglichkeit direkt auf der Hotel-Website; man denkt, im Kontext eines großen Hotels schnell voranzukommen. Doch nachdem ich herausgefunden habe, dass man hier nur eine bestimmte Anzahl an Tagen im Voraus reservieren kann – und dass selbst beim Öffnen eines neuen Reservierungstages (ich habe hierfür sowohl Mitternacht in Japan ausgetestet als auch übliche Zeitpunkte wie 9 oder 10 Uhr morgens), immer bereits alle Reservierungen vergeben waren. De facto lässt sich auch hier keine Reservierung tätigen. Im Kontakt mit dem Mandarin Oriental habe ich erfahren, dass auch hier die meisten Reservierungen vor Ort getätigt werden – oder weiter im Voraus von Hotelgästen. Das traf sich gut. Für die letzte Nacht in Tokio, wenn ich aus Kyoto wieder zurückkehre, brauchte ich ohnehin noch ein Hotel. Damit steht auch der Pizza nichts mehr im Weg.