Chef’s Table at Brooklyn Fare – vom Besten das Beste

Die Redaktion des Guide Michelin schrieb 2012 in der Ausgabe für New York City, dass sie es bedauerte, nur drei Sterne für ihre Auszeichnung zur Verfügung zu haben. „We’re sorry we only have three stars to give“, so der Originalwortlaut, und das aus den Federn des ach so konservativen Guides. Was ich damals schon kaum glauben konnte, bestätigte sich bei meinem Besuch vor zweieinhalb Jahren, als ich dort ein Menü genoss, das ich bis heute zu den besten Ess-Erlebnissen zähle, die ich je hatte.

Als ich nun in der 2014er Ausgabe des Michelin las, dass Kochvirtuose César Ramirez in den letzten Jahren nicht nur besser geworden ist, sondern das auch noch von Jahr zu Jahr in großen Sprüngen tut, war ein erneuter Besuch überfällig, um diese ausufernde Schwärmerei einer Prüfung zu unterziehen.

Nur mal so am Rande: Chef’s Table at Brooklyn Fare, nie gehört? Aber Sie halten die spanische und nordische Avantgardeküche für das Nonplusultra? Dann kann Ihnen nur noch eines helfen: Reisen Sie nach New York, und setzen Sie sich an den Tresen des vermutlich wirklich besten Restaurants der Welt.

Ich habe länger überlegt, ob ich diesen Superlativ verwenden soll – schließlich unterscheiden sich Küchenstile zu sehr, um wirklich eine Nummer eins küren zu können –, aber was César Ramirez hier in Brooklyn auf die Teller bringt, rechtfertigt einen Platz auf dem obersten Siegertreppchen aller von mir jemals genossenen Essen.

Das Gemeine an der Sache ist, dass Ramirez in seinem kleinen, aber vor hochwertiger Ausstattung nur so strotzenden Restaurant (Hering Berlin-Geschirr; Molteni-Herd; Zalto-Gläser), nach wie vor eine der striktesten no photo policies durchsetzt. Die ist inzwischen so berüchtigt, dass sie nicht einmal mehr erwähnt wird. Niemand würde sich hier trauen, mit einer Kamera oder mit seinem Handy zu hantieren.

Niemand, außer mir.

Mit etwas Mut (nach ein paar Gläsern), Geschick und eisernem Willen habe ich es geschafft, ein paar seltene (manchmal verwackelte) Schnappschüsse aus einem der exklusivsten Restaurants mit nach Hause zu bringen.

Der gebürtige Mexikaner Ramirez vertritt eine leicht nachvollziehbare und über alle Maßen genussmaximierende Kochphilosophie. Er beschafft von allen Produkten, die er zum Einsatz bringt, die jeweils weltweit beste verfügbare Qualität, bereitet diese mit virtuosem Können und großer Hingabe zu und kocht seinen Gästen auf diese Weise das beste Essen, das er in der Lage ist, zuzubereiten. Geld scheint hier keine Rolle zu spielen. Spätestens nach der mehrere Kubikzentimeter großen Nocke Kaviar, der noch größeren Portion Hokkaido-Seeigel, die tagesfrisch aus Tokio kommt, wie viele der Fische hier, und dem Stück Wagyu-Rind mit höchstem Marmorierungsgrad, dürfte der Menüpreis von 255 Dollar schon fast erschöpft sein. Und das sind nur drei Zutaten aus den insgesamt fünfzehn Gerichten dieses Abends.

Und so sehr es bei Ramirez auch um teure Luxusprodukte geht, ist seine Küche die wohl genialste Mischung aus japanischem Purismus und französischem Küchenhandwerk. So beginnt das Menü am nobelsten Küchentresen New Yorks mit einer Auster und Ponzusauce, von denen selbst Austernskeptiker wie ich am liebsten gleich ein Dutzend verspeisen möchten. Es geht weiter mit Flunder, dann mit einem anderen über Holzkohle gegarten Fisch, weiter mit Rotbarschgefolgt von einem Stück Abalone, die ich selbst in Japan nicht zarter gegessen habe.

A propos. Ramirez erklärt, er bekäme vom Tsukiji-Fischmarkt in Tokio häufig bessere Produkte zu sich nach Brooklyn geliefert als viele seiner Drei-Sterne-Kollegen in Japan: er nimmt größere Mengen ab, zahlt immer verlässlich und nimmt höhere Preise in Kauf. Das schmeckt man. Die kleinen Gerichte, bei denen fast immer genau eine Hauptzutat im Mittelpunkt steht, lassen mich ausnahmslos sprachlos zurück. Es ist als verspeiste man Produkte von einem anderen Planeten, so frappierend sind die Unterschiede selbst im Vergleich zu allen anderen der weltweit besten Restaurants.

Soweit ich es von meinen spärlichen Notizen rekonstruieren kann, fährt das Menü wie folgt fort:

Hokkaido-Seeigel / Trüffel

Geräucherter Osietra-Kaviar / Champagner-Sabayon

Maiscreme / Foie Gras / Taschenkrebs

Hummer / Karotte / Orange / Sellerie

Schnapper / Palmenherz

Geröstetes Huhn aus Pennsylvania / Rote Bete / Lauch / Morchel

Miyazaki Beef – Ich wünsche jedem Fleischliebhaber, dies zumindest einmal im Leben probiert zu haben. Das Miyazaki-Rind stammt aus der gleichnamigen Präfektur in Japan von einer der vier reinen Wagyu-Rassen. Das kleine Stück hier auf dem Teller weist einen derart hohen Marmorierungsgrad auf, dass man behaupten kann, es handele sich hierbei um Butter mit Umami-Geschmack. Das Stück zerfließt am Gaumen (kein Wunder, da das Fett darin bereits bei einer Temperatur von 25 Grad schmilzt) und sorgt so für ein unvergessliches Genusserlebnis. Das ist kein Fleisch für Steak, sondern Fleisch für ein außergewöhnliches und einmaliges Erlebnis.

Büffelmozarella / Mandarine / Yuzu

Shizo-Gurken-Sorbet / Pflaumwein

Joghurt-Sorbet / Holunderblüte / Erdbeere

Schokolade

Petits Fours

Es ist schwierig in Worte zu fassen, doch das Essen hier bei César Ramirez ist eine Klasse für sich. Zum zweiten Mal komme ich nun zu diesem Schluss (und ich war in der Zwischenzeit bekanntlich viel essen): Hier, in einem kleinen Raum neben einem Feinkostgeschäft in Brooklyn, gibt es nicht nur das mit weitem Abstand beste Essen New Yorks, sondern auch weit darüber hinaus.

Die hier verwendeten Produkte sind selbst nach allerhöchsten Maßstäben (Paris, Tokio) und für anspruchsvollste Gaumen eine Offenbarung, das Geschick Ramirez‘ und sein Gespür für harmonische Kompositionen suchen ihresgleichen, und die Atmosphäre – umgeben von Edelstahl und Kupfertöpfen – ist einmalig.

Ich bin untröstlich. Hier nicht gespeist zu haben, lässt sich durch nichts schönreden. Das einzig Störende ist, dass man sich ständig kneifen muss, um zu prüfen, ob das alles real ist.

Informationen zu diesem Besuch
Restaurant: Chef’s Table at Brooklyn Fare (→ Website)
Chef de Cuisine: César Ramirez
Ort: New York City, USA
Datum dieses Besuchs: 30.07.2014
Guide Michelin (NYC 2014): ***
Meine Bewertung dieses Essens 10 (Was bedeutet das?)