Seven Seas – nur losrudern müsste man noch

Achtzehn Monate nach meinem letzten Besuch in Hamburgs wohl entlegenstem Restaurant, habe ich an diesem Donnerstagabend erneut einen Tisch hier oben auf dem Süllberg. Chef de Cuisine Karlheinz Hauser wacht hier über die Gastronomie des kleinen Hotels, das bei Feierabendverkehr gute 45 Autominuten von Hamburgs Zentrum entfernt ist. Man ist gut damit beraten, den Rückweg ausreichende Zeit im Voraus zu planen, denn spontan kommen hier gegen Mitternacht kaum noch Taxis her.

Doch an Rückweg ist jetzt ohnehin noch nicht zu denken. Der Speisesaal ist nach wie vor behaglich – man hat als Gast viel Platz am großen Tisch und eigentlich immer einen guten Ausblick. Lediglich die heute hier vorherrschende Leere ist etwas irritierend; nur zwei weitere Tische sind an diesem Abend noch besetzt. Eine eher seltene Beobachtung in einem Sternerestaurant.

Grundlage für meine heutige Essenswahl bildet „Karlheinz Hausers ‚Degustationsmenü‘“ in 5 Gängen (€ 116), darin tausche ich lediglich noch den Fleischgang, denn nach Lamm ist mir heute nicht.

Den Champagner (Moët & Chandon Brut 2003) begleiteneinige frische, aromatische Snacks, z. B. mit Chorizo-Wurst oder Frischkäse; danach geht es weiter mit einem Rinderfilet im Spitzkohlmantel mit Süßkartoffelpüree. Recht üppig für ein Amuse-bouche, aber gut zubereitet.

Optisch vielversprechend beginnt das Menü mit einer Variation vom Langostino mit Brunnenkresse, Tomate und Avocado. Bei dem Krustentier handelt sich jedoch gar nicht um einen „Langostino“ (Spanisch für Garnele), sondern um einen Kaisergranat. (Dass zwischen einer eher plumpen Garnele und dem feinen Kaisergranat Welten liegen, muss an dieser Stelle sicher nicht erklärt werden.) Seltsam nur, dass dieser Umstand auf der Karte verschleiert wird. Zwar gehört dieses Exemplar nicht gerade zu den besten, ist aber dennoch tadellos zubereitet und kombiniert mit einem leichten orientalischen Akzent. Leider ist das Mengenverhältnis zwischen den verschiedenen Bestandteilen des Gerichts etwas unausgewogen, sodass sich von dem Gericht recht schnell nur noch einige gelierte Komponenten auf dem Teller wiederfinden, die sich aromatisch alle hinten anstellen müssen.

Besser ist da der sonnenverwöhnte 2007erKistler Chardonnay „Les Noisetiers“, dem es nicht vergönnt ist, besonders lange in den Gläsern zu verweilen.

Es folgt ein Morchelrahmsüppchen mit Wachtel und Spargel. Das ist alles ohne Frage „essbar“, doch hapert es hier deutlich in puncto Raffinesse. Die frittierte Keule ist… nun ja, heiß, fettig und frittiert, das andere Fleisch der Wachtel hat eine merkwürdige Konsistenz (irgendwie „komprimiert“) und ist zu salzig. Der stabile Schaum des Morchelrahmsüppchens verheimlicht ebenfalls  nicht gerade geschickt die Zuhilfenahme entsprechender Zusatzstoffe.

Der Atlantik-Rochenflügel mit Kopfsalat und Pinien-Curryfond sieht schmackhaft aus, ist aber in Summe ohne Spannung und Höhepunkte. Der kleine gezupfte Kopfsalat und die Pinienkerne wirken überdies recht unbeholfen.

Als nächstes folgt Niedertemperaturgegartes Filet vom Bison mit Poweraden, Tomate und Kartoffelpraline. Die Fleischqualität ist gut, die Sauce mit orientalischer Note ebenso — der Rest steht unter dem Motto einer bodenständigen, aber eher belanglosen Ausführung, die ich so schon dutzende Male, häufig besser, irgendwo anders gegessen habe. Das ist nicht zwingend ein Kritikpunkt an die Küche, erklärt jedoch, warum mich dieses Gericht nicht begeistern kann. Es ist genau die Art von Gericht, die man in nahezu allen Ein-Sterne-Restaurants in Hamburg so oder so ähnlich serviert bekommt. Ein Gericht mit zweifelsfreier Berechtigung, doch erwischt mich gerade am heutigen Abend (mal wieder) ein Überdruss von dem, was vor allem in Hamburg unter „klassisch-französisch“ verstanden und seit Jahren nicht weiterentwickelt wird.

Es folgt noch die Käseauswahl vom Wagen „Maître Antony“, natürlich vom Christofle-Käsewagen, die erwartungsgemäß gut ist und sogar ohne Standard-Feigensenfsauce serviert wird.

Der Abend neigt sich dem Ende zu, der Australische Clarendon „Moritz“ Shiraz 2001ebenfalls. Das „Seven Seas“ demonstrierte für mich heute Abend leider den in der Hansestadt weitestgehend eingekehrten Stillstand auf dem Niveau der gehobenen Küche – und das trotz der sieben Weltmeere vor der Tür.

Doch wer weiß, vielleicht sind die leeren Tische an der Elbchaussee bereits ein erstes Anzeichen dafür, dass auch bei den letzten Befürwortern dieser Art von Küche allmählich die Langeweile Einzug hält. Man darf ja noch hoffen.

Informationen zu diesem Besuch
Restaurant: Seven Seas (→ Website)
Chef de Cuisine: Karlheinz Hauser
Ort: Hamburg, Deutschland
Datum dieses Besuchs: 12.05.2011
Guide Michelin (D 2011): *
Meine Bewertung dieses Essens 6,5 (Was bedeutet das?)