Piment – Schuster, bleib …

Über das Piment habe ich schon viel geschrieben und es noch viel häufiger besucht. In dem kleinen Lokal in Hamburg-Eppendorf tischt Wahabi Nouri eine klassisch französische Küche mit orientalischen Einflüssen auf. Hervorragendes Handwerk, Aromen aus dem Morgenland und wohlige Hitze sind einige der Attribute, die ich mit der Küche dieses Hauses verbinde. Es gab Zeiten, da hätte ich eine Aufwertung auf zwei Michelin-Sterne besser verstanden als anderenorts. Oder eher: wenn hier schon ein Stern leuchtet, dann sollte er über manch anderem Haus besser nicht leuchten.

Neulich war ich nach längerer Absenz wieder im Piment, doch diesmal hat mich mein Besuch mit Sorge erfüllt. Eine Sorge, dass das Piment eine Stilrichtung einschlägt, die der Küche Nouris ganz und gar nicht steht.

Zu Beginn ist davon noch nichts zu spüren. Exzellent abgeschmeckt ist eine Löffeldegustation zum Aperitif. Ein lauwarmes, luftiges Flammkuchen-Gebäck schmeckt angenehm nach Zwiebeln und rauchigen Aromen und ist ein gelungener Einstieg (7/10). Auch das hausgemachte Brot mit dem bewährten orientalisch angehauchten Karottenpesto gefällt.

Als Amuse-Gueule folgt eine Zubereitung mit Avocado-Mousse und einem würzigen Chutney: eine aromatisch stimmige, leicht pikante Komposition. Der hohe Salzgehalt der kleinen Speise bietet dazu einen sensorischen Kick, ist aber an der obersten Grenze. (6-7/10)

„Nouris Menü“ (€ 108) – eine der zwei Menü-Optionen – beginnt dann mit Foie Gras, hier wie eine Art Kappe über Reis serviert (also entfernt an Nigiri erinnernd), dazu Kimchi, Essiggurkensorbet und Nashi-Birne. Die Gänseleber hat ein authentisches Aroma, ist aber eindeutig versalzen. Die Säure und Frische der anderen Komponenten kann dem zwar einiges entgegensetzen, hat dabei aber spürbar Mühe. Kein Vergleich zu den wohlabgestimmten, meist etwas süßeren und immer exzellenten Foie-Gras-Vorspeisen, von denen ich hier häufig geschwärmt habe. (6/10)

Beim Rindertatar mit Schakschuka-Gemüse – eine nordafrikanische Spezialität mit Eiern, Tomate, Paprika und Zwiebeln – kommt die Tomate als Schaum in einem Zylinder, die Paprika als Sorbet, und vieles andere in ebenso vielen anderen Zubereitungsarten. Der Tatar geht in dem Textur- und Komponenten-Wirrwarr völlig unter. Und seit wann experimentiert Nouri bloß mit Schaumzylindern und dehydrierten Zutaten, von denen man nicht einmal erahnen kann, was das ist? (6/10)

Zwei Stücke Sot-l’y-laisse mit Périgord-Trüffeln, Sellerie und Räucherkartoffel sind dann ein „klassischer Nouri“ mit einer exzellenten Sauce und erdigen, süffigen Aromen – auch die Gemüse kommen gut zum Vorschein –, lediglich die Pfaffenstückchen dürften durchaus zarter sein, schließlich ist es das, wofür sie stehen. (6-7/10)

Es folgt Zander mit weißem Spargel, Entenschinken, Zitronen-Velouté und einem Sauce-Béarnaise-Gelee. Während letztere Komponenten alle stimmig sind, ist der Zander zäh wie Gummi und hat zudem auch noch einen tranigen, unappetitlichen Geschmack. Der Teller ist damit leider ungenießbar. (5/10) Ich merke die Probleme an, man kann sie auch nachvollziehen und zieht das Gericht später vom Menüpreis ab. Dessen ungeachtet ist es unverständlich, wie ein solcher Teller (oder besser gesagt: zwei davon) den Pass eines anspruchsvollen Restaurants passieren kann.

Der (aus unerklärlichen Gründen) als „Überraschung“ deklarierte Hauptgang ist Ente von Miéral mit Schwarzwurzel, Radieschen, Kirsche, Himbeeressig-Jus und B’stilla. Die Ente ist auf den Punkt gebraten und hat ein schönes Eigenaroma, die anderen Komponenten liegen allerdings etwas verloren daneben. Auch dieses Gericht ist grenzwertig salzig. (6-7/10)

Ein „vegetarischer Caesar Salad“ mit Comté, Parmesan, „Focaccia crisps” und Vinaigrette-Schaum ist als eine Art kreativer Käsegang zu verstehen, dem ich jedoch ein einzelnes Stück der hier verwendeten Käse, die von guter Qualität sind, vorgezogen hätte. 2010 servierte Nouri z. B. einfach nur ein Stück gereiften Comtés mit ein paar Tropfen ligurischem Olivenöl. Das war wunderbar puristisch, zeitlos und hatte keinerlei Verbesserungspotenzial – und war damit so ziemlich das genaue Gegenteil dieses Tellers. (6/10)

Das Magosorbet – so die Überschrift des Desserts in der Speisekarte – ist ebenfalls für sich genommen sehr gut, doch kommt es nicht allein daher. Mit dabei: ein stumpfes Kokosparfait, eine klebrige Nougat-Mousse und die an Styropor erinnernden Plättchen wie beim Rindertartar. Von einem erfrischenden exotischen Dessert ist hier keine Spur, doch genau das hätte man daraus machen sollen. Es gelingt mir nicht, das aufzuessen. (5/10)

Etwas konsterniert starre ich auf die Reste dieses Tellers und frage mich, was hier wohl passiert ist. Es fühlt sich für mich so an als hätte Nouri einen etwas verzweifelten Versuch gestartet, seine Gerichte einem Stil anzunähern, den man bei höher ausgezeichneten Kollegen, auch in Hamburg, vorfinden kann. Gerichte, die „in die Breite gehen“ anstatt fokussiert in Tellermitte stattzufinden und die Verwendung von Schäumen, Gels und Baiserplättchen passen nicht zu Nouris Küche. Mehr noch: diese Prozesse führen – gerade in einer nicht sehr personalintensiven Küche – sichtbar dazu, dass viel wichtigere, grundlegende Aspekte wie korrektes Abschmecken und überzeugende Produktqualität auf der Strecke bleiben. So könnte diese Stiländerung kontraproduktiv sein. Der sternenübersäte Himmel einer 1001. Nacht ist der bessere Wegweiser.

Informationen zu diesem Besuch
Restaurant: Piment (→ Website)
Chef de Cuisine: Wahabi Nouri
Ort: Hamburg, Deutschland
Datum dieses Besuchs: 18.04.2016
Guide Michelin (D 2016): *
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