Küchenwerkstatt – frischer Wind flaut etwas ab

Mein zweiter Besuch in der Küchenwerkstatt in diesem Monat trübt leider die Eindrücke des ersten Besuchs. Viele der Gänge aus dem heutigen Menü kenne ich bereits von meinem Besuch vor drei Wochen, und somit fehlt sicherlich auch das Element der Überraschung — allerdings gibt es am heutigen Abend einiges zu beanstanden.

Das Menü beginnt mit drei Amuse-Bouches, die nacheinander serviert werden. Zuerst ein Snack von rohem Thunfisch „lackiert mit Parma(?)schinken“, dazu „Luftbaguette“; eine einfallsreiche Idee, leider kann sich der hauchdünne Thunfisch nicht so recht gegen das Baguette durchsetzen und geht etwas unter. Die anderen Portiönchen sind von roter Bete dominiert und insgesamt zufriedenstellend.

Richtig wahrnehmen kann ich die drei Amuse-Bouches ohnehin nicht, da während der gesamten Zeit die Weinkarte an meinen Nerven zerrt. Da die wenigen einigermaßen attraktiven Positionen bereits alle durchgestrichen sind, bleibt (bei den Roten, was es heute sein soll) die Wahl zwischen zweifelhaften jungen Österreichern, wenig ansprechenden Italienern, einfachen Franzosen und einem Columella der Sadie-Familie aus Südafrika (€ 160), der es heute Abend aus Gründen der Zurückhaltung jedoch nicht sein soll (wir sind zu viert und benötigen somit mindestens zwei Flaschen). Es wird somit in jedem Fall eine Kompromissentscheidung werden müssen, was schade ist, hinsichtlich der vor uns stehenden Gänge. Hier besteht wirklich großer Nachholbedarf: eine kleine, smarte Karte würde ich mir hier wünschen, bei der der Gast keine Fehltritte machen kann — mit einer sorgfältigen Auswahl einiger junger, aufstrebenden Weingüter aus dem Südwesten Frankreichs vielleicht, dazu ein paar schöne Tropfen von der südlichen Rhône aus guten Jahren wie 2007, ein wenig Portugal hier, Burgund da und ein paar größere Vertreter aus Bordeaux, Kalifornien und Deutschland. (Ist nur eine flüchtige Idee.)

Zermürbt bestelle ich zunächst einen Luddite Shiraz 2003 vom Western Cape aus Südafrika (€ 85), der mich prompt enttäuschen soll. Das durchaus ansprechende Bouquet weicht am Gaumen sofort; keine Frucht, kein Ausdruck, null Länge. Ob wir eine weitere Flasche wünschen, fragt die freundliche Kellnerin, nachdem wir die Flasche geleert haben. Dankend verneinend bestelle ich nun einen 2000er Villa Fidelia von Sportoletti (€ 110), der uns über den Abend hinweg ein wenig retten kann. Hätte ich mich mal doch für den Columella entschieden...

Wir kommen zum ersten Gang. Die roh marinierte Jakobsmuschel mit Mandarine, Wasabi und Fenchel, dazu ein paar Wildkräuter, ist eine delikate Komposition und bietet ein sublimes Mundgefühl.

Der zweite Gang, leicht geräucherter Ikarimilachs, handwarm serviert mit Saiblingskaviar, Gurken in  drei Texturen und marinierten Winterkräutern, knüpft an die Qualität des ersten Gangs an, jedoch finde ich den Gesamteindruck des Gerichts etwas „wässrig“, zumal die Gurkenbeigaben ziemlich neutral schmecken. Ein mittelmäßiges Gericht.

Es folgt glasiertes Wintergemüse aus dem Alten Land, separat gegart mit Barigoule von Gemüse mit Tahiti-Vanille, Kerbel. Dieser Gang ist eine schöne Idee ohne Schnickschnack, zumal lokal inspiriert (bis auf die Feige), und müsste jetzt — bei dem dargebotenen Minimalismus — mit der Qualität des Gemüses auftrumpfen können; was leider nicht vollends gelingt. Die Qualität kann jetzt gerne wieder anziehen.

Der nun vorgesehene gebratene Kabeljau mit reduzierter Garjus, Chicoreemarmelade und karamellisiertem Chicoree wird auf Nachfrage (und ganz zu meiner anfänglichen Freude) ersetzt durch einen Steinbutt selbiger Zubereitungsart. Die Freude weicht jedoch schnell, als ich das Gericht probiere. Der Fisch ist beinahe hart und faserig, schmeckt belanglos und ist somit von mangelhafter Qualität und Zubereitung, die Chicoree-Beilagen beißend-bitter. Das Gericht hat offenbar niemand probiert, anders kann ich mir das kaum vorstellen. Eine komplette Verirrung in diesem Restaurant.

Es geht weiter im Menü mit Kalbstafelspitz, rosa gebraten, dazu lauwarmer Salat von Kalbskopf und Pilzen. Hier gefällt mir die Idee, Kalbstafelspitz kurzgebraten zu servieren, was auch gut gelingt. Das Fleisch ist sehr zart und schön saftig, und sowohl der Pilz-Kalbskopf-„Salat“ als auch die Reduktion ergänzen das Gericht passend. Zum Glück tritt gegen Ende des Menüs nun offenbar doch noch ein „Hockeyschläger-Effekt“ hinsichtlich des Genusses ein.

Auch das Dessert, eine Birnentarte nach Inspiration durch die Geschwister Tatin, dazu karamellisierte Bananen und Rum-Eis kann überzeugen.

Ich ziehe ein weiteres Fazit nach meinem zweiten Besuch innerhalb weniger Wochen: das Niveau dieses Mal fiel gegenüber meinem vorherigen Besuch merklich ab, was weniger an der Ambition und Kreativität lag als an der heutigen Umsetzung der Gerichte. Vielleicht war das Team heute, kurz vor Neujahr, irgendwie schlechter besetzt, oder die Einkäufe über die Feiertage waren wenig ergiebig – ich weiß es nicht. Die Weinkarte ist ein großes Manko; hier sollte schnell nachgebessert und auch fachkundiges Personal eingestellt werden. Das Preis-Leistungs-Verhältnis war hingegen mit € 62,- für die sechs von mir gewählten Gänge akzeptabel.

Trotz der heutigen Schwächen möchte hier bald wieder einkehren, allerdings werde ich hierfür zunächst auf eine vollkommen veränderte Speisekarte warten. Der Frühling kommt sicher…

Informationen zu diesem Besuch
Restaurant: Küchenwerkstatt (→ Website)
Chef de Cuisine: Gerald Zogbaum
Ort: Hamburg, Deutschland
Datum dieses Besuchs: 30.12.2009
Guide Michelin (D 2010): *
Meine Bewertung dieses Essens 6 (Was bedeutet das?)