Lockdown-Notizen V: eine spanische Nacht

Bei meinem Lieblingsfranzosen ist spanische Woche. Das erinnert an die einschlägige Filmszene aus Loriots Ödipussi. Tatsächlich handelt es sich hier um ein kulinarisches Lieferangebot des exzellenten Restaurants Le Moissonnier, dem schönsten Ort Kölns. Unter dem Titel »Una Noche Española / Auf den Spuren Don Quichotes« gibt es in dieser dritten Februarwoche ein mehrgängiges Menü zu bestellen.

Die Bestellung erfolgt bequem über den Online-Shop des Restaurants, über den man noch weitere Speisen (und Weine) bestellen kann. Das Paket enthält gut verpackte Zutaten in Gläsern, Kunststoffschälchen und Schachteln. Zusammen mit der ansprechend gestalteten Zubereitungsanleitung ist das alles schon appetitanregend.

Amüsant (und interessant) ist in diesen ungewöhnlichen »Lieferzeiten« auch immer wieder der Kontrast zwischen Verpackung und Inhalt. Wenn feine Zubereitungen den Gast ausnahmsweise mal nicht auf Bernardaud oder Hering erreichen, sondern zunächst in einer Plastikschale, besinnt man sich auf Wesentliches. Vielen dürfte es schwerfallen, darin »Sterneküche« zu erkennen, doch die Qualitäten der Lieferangebote aus Spitzenrestaurants, die ich bisher probiert habe, lassen daran keinen Zweifel aufkommen. Dabei zeigen sich die unterschiedlichen Qualitäten der Boxen hinsichtlich Produktqualitäten, Kompositionen, Würzungen und Saucen oft noch deutlicher als im Kontext eines Restaurants.

Da am Ende immer eigenes Können gefragt ist und die Möglichkeiten eines Speiseversands ohnehin sehr limitierend für die Köche sind, bewerte ich die Gerichte aus den Lockdown-Angeboten hier nicht wie üblich. Aber ein Niveau von ein bis zwei Michelin-Sternen kann man sich mit den entsprechenden Angeboten durchaus auf die eigenen Teller zaubern.

Aus der Lieferung der Zwei-Sterne-Küche von Eric Menchon und Patron Vincent Moissonnier bereitet man am besten gleich ein paar Gerichte gleichzeitig zu. Das steht zwar nirgends, aber wer das Restaurant kennt, weiß, dass man hier von einem Gang, der aus weniger als zwei oder drei Tellern besteht, nicht viel hält. Spätestens der kulinarische Sachverstand macht aber deutlich, dass es bei diesem Angebot nicht so sehr um eine strikte Menüabfolge geht, sondern um abwechslungsreiches Genießen.

Für meine erste Variation am Tisch bereite ich Jakobsmuscheln in Weißwein-Venusmuschel-Sauce, eine Aioli-Seehecht-Rillette mit Fenchel-Olivensalat, Orange und Mandeln, sowie ein Pulpo-Ragout mit pikanter Ochsenherztomate zu. Die Jakobsmuscheln erfordern nur einen minimalen Arbeitsschritt im Ofen, der Rest wird lediglich kurz erwärmt oder, wie bei der Rillette, direkt aus der Packung verwendet. Alles ist exzellent gewürzt und von erleichternd hervorragender Qualität, ganz wie man es vom Le Moissonnier erwarten kann. Sehr kurzweilig ist hier auch schon das mediterrane Flair der Speisen und die Vielfalt der Meeresfrüchte.

Als nächstes findet ein schön durchwachsenes, vom Restaurant bereits kurz angebratenes Stück Iberico Secreto in den Ofen, wo es bei 180 Grad gute zwanzig Minuten verweilt. Zu dem buttrigen, saftigen Fleisch gibt es ein würzig abgeschmecktes Sobrasada-Bohnenragout, dem man eine herrlich pikante Romesco-Sauce beimengt. Feurig gut! Zusätzlich dazu genieße ich eine Baskische Tortilla, deren mediterrane Gemüse (Paprika, Tomate, Knoblauch, Zwiebeln) und Basilikum überraschend viel Leichtigkeit und Frische in die dichte Eierspeise bringen.

Weiter geht es mit einer Interpretation einer Paella. Ich nenne es Interpretation, weil man ‒ insbesondere wegen des Versands ‒, originelle Wege geht, um dieses aus vielen Elementen bestehende, traditionelle Gericht in heißer und ansprechender Form »aus der Ferne« an den Gast zu bringen. Beachtenswert ist besonders, dass die Grundlage für die Reispfanne (u. a. mit Garnelen, Krevetten, Sepia, Calamari, Mies- und Herzmuscheln, Kaninchen, Hühnchen und Chorizo) vakuumiert in einer feuerfesten Keramikschale angeliefert wird, die offenbar im fairen Menüpreis von € 190 für zwei Personen einkalkuliert ist. Die Paella wird zunächst mit einer aufgekochten Paella-Bouillon (bestehend u. a. aus Geflügelfond, Weißwein und Safran) übergossen, das Ganze kommt dann eine knappe halbe Stunde bei 200 Grad in den Ofen.

Das Ergebnis ist wunderbar. Der Duft der verschiedenen Meeresfrüchte betört in Kombination mit der einladenden Schärfe der Chorizo und den edlen Bitternoten des Safrans. Das Gericht hat geschmackliche Tiefe, ist süffig und leicht pikant, eine Wucht. Dazu begeistert ein Schluck aus der mitgelieferten Sangria, hergestellt aus Rotwein, Triple-Sec, Zucker, Apfelsaft, Orangenzesten, Zitrone, Limette und Mango. Man könnte eigentlich vor Freude losgrölen, wenn das hier nicht alles so pikfein wäre.

Exzellente Süßspeisen runden das Mahl ab. Es gibt eine Crème Catalane mit Mallorquinischem Mandelbiskuit, die man einfach aus dem Glas löffelt, dazu diverses Petit-fours (Karamellbonbons, Maracuja-Marshmallows, Lollis) und sagenhaft gute Macarons mit Schokolade und Haselnuss. Damit geht die spanische Nacht dann doch noch französisch zu Ende. Und zum Glück muss man jetzt nicht in Köln ins Hotel.