Nikkei Nine – Glamour, Gold und Gelbschwanzmakrele

Es gibt in Hamburg nur ein Handvoll Restaurants, die ich regelmäßig empfehle, das Nikkei Nine zählt immer dazu. Da man hier im Blog schon genauer nach Hinweisen suchen muss, die diesen Favoritenstatus untermauern, ist ein Update überfällig.

Seit der Eröffnung vor sechs Jahren hat sich viel getan – wenngleich man das sofort relativieren muss, denn es gibt auch (wünschenswerte) Konstanten. Zu Letzteren zählt ganz besonders die kosmopolitische Atmosphäre, die in Hamburg einzigartig ist. Das Nikkei Nine im Fairmont Hotel Vier Jahreszeiten ist das einzige Restaurant der Hansestadt, in dem man sich in London, New York oder Paris wähnen könnte. Die Bar mit DJ, das Interieur mit luxuriösen Goldakzenten, die hochwertigen Einrichtungsdetails, das Konzept der peruanisch-japanischen Speisekarte und der souveräne, herzliche Service: All das ist von Welt.

Wer danach sucht, kann dennoch Hinweise auf den Nicht-Metropolenstatus entdecken. Sie sind klein und spielen sich im Wesentlichen in kulinarischen Details ab. Aber auch hieran feilt man beharrlich und erfolgreich. Längst haben im Nikkei Nine Spitzenzutaten Einzug gehalten. Frischer Wasabi, in Hamburg sonst kaum zu Gesicht zu bekommen, gehört hier inzwischen genauso zum Standardrepertoire wie vorzüglicher Fisch und exzellentes Fleisch. Dass man sich hier qualitativ immer weiter steigert, ist dem Controlling des Hotels hoch anzurechnen, denn es wäre hier in Hamburg nicht nötig, um den Laden jeden Tag rammelvoll zu bekommen.

Seit kurzem hat der inzwischen dritte Küchenchef Kai Weigand das Zepter übernommen. Vor allem dessen Stationen in verschiedenen Restaurants von Tim Raue passen zur Küche des Nikkei Nine, wenngleich es hier im Restaurant nicht allzu sehr um die Handschrift eines Küchenchefs geht, sondern allenfalls um behutsames Optimieren von Bewährtem.

Am liebsten vertraue ich mich hier vollends der Küche an. Das kostet, je nach Umfang, heute Abend z. B. 129 €, zzgl. eventueller Einschübe und Extras, auf die man im Laufe eines solchen Abends noch Appetit bekommen könnte.

Dieses Essen beginnt mit dem Traum-Duo Wagyu-Tatar und Osietra-Kaviar auf einem Tapioka-Cracker, ein üppiger Snack mit verführerischem Schmelz, Salzkick und Knusperspaß, dem man allein der Zutaten wegen ein hohes Niveau attestieren muss (7/10).

Weiter geht es mit einem Sashimi von der Dorade mit einem Teriyaki-ähnlichen Sud auf der Basis von Soja und Mirin, parfümiert mit Yuzu und Schnittlauch. Es kann durchaus vorkommen, hier auch mal auf die Verwendung einer echten Yuzu zu treffen, heute Abend schmeckt es so, vielleicht ist das auch nur ein gekonnter Umgang mit einem Extrakt. In jedem Fall stillen Fischqualität, Temperatur, »Biss« und die sehr gut ausbalancierte Sauce meinen hier in Hamburg dauerhaft präsenten Heißhunger nach derartigen asiatischen Geschmacksbildern so schnell wie ein Feuerlöscher. Frittierte Frühlingszwiebeln statten das filigrane Gericht dazu mit kurzweiliger Knusprigkeit aus. Das ist exzellent. (7,5/10)

Ähnlich gut ist die geflämmte Gelbschwanzmakrele mit Miso-Karamell-Sauce (21 €) und spannender Schärfe. (7/10)

Bezüglich des Weins greife ich meist auf die exzellente Karte aus dem Haerlin zurück, was ich vorher ankündige, um keinen unnötigen Aufwand zu erzeugen. Heute Abend gibt es etwas zu feiern, daher fällt es mit einem 2012er Dom Pérignon und einem 2018er Échézeaux von der Domaine de la Romanée-Conti besonders festlich aus.

Das Menü fährt mit einem Gericht mit Schneekrabbe fort. Das gezupfte Fleisch der exklusiven Zutat wurde mit Perillablatt in Rettich eingewickelt, die daraus entstehenden Röllchen sind auf bissfest gegarten, leuchtendgrünen Edamame platziert und in einem kühlen, zitrusfrischen Sud angerichtet. Es sind solche kurzweiligen Gerichte, mit präziser, säurebetonter Sauce und sehr guten Zutaten, die hier durchgehend Freude bereiten. (7/10)

Keine Überraschung ist, dass mich das Sushi hier nicht begeistern kann. Das beginnt natürlich damit, dass Sushi nicht dafür gedacht ist, in größeren Mengen an einen Tisch gebracht, sondern sukzessive aus der Hand eines Meisters an einem Tresen genossen zu werden. Alles andere ist ein Kompromiss, den man kaum noch eingehen kann, wenn man einmal die authentische Speise kennen gelernt hat. Das weiß man zweifellos auch in der Küche, doch gerade Sushi wird von vielen Gästen hier schlicht erwartet.

Dass ich dem Stand der Dinge dennoch wieder auf den Zahn fühle, ist vor allem meinem sehr ausgeprägten Vermissen des ganz speziellen »Sushi-Mundgefühls« zuzuschreiben. Immerhin wecken Nigiri mit fettigem Thunfischbauch (Otoro) sowie mit (etwas ungestüm eingeschnittenem) Tintenfisch Erinnerungen an großartiges Sushi von New York bis Tokio. Dass der frische Wasabi ausgerechnet heute aus ist, ist allerdings ein Dämpfer. (6/10)

Stattdessen sollte man sich lieber weiter den anderen Kreationen widmen. Ein Stück patagonischer Seehecht ist beim folgenden Gang von ausgezeichneter Qualität und Garung – heiß, weiß, saftig und aromatisch. Er kommt mit Topinamburpüree und einer luftigen Yuzu-Amarillo-Sauce, was zu einem präzise austarierten und wohlschmeckenden Süße-Säure-Spiel führt. Eine der besten Speisen des Abends. (7,5/10)

Auf der fleischigen Seite folgen mit Wagyu gefüllte Gyoza mit eingelegtem Rettich und angenehm pikantem Dashi. Eine von der Sauce herrührende Süße ist mir lediglich eine Nuance zu viel (6,9/10).

Im Anschluss bereitet das japanische Kagoshima-Rind der höchsten Qualitätsstufe A5 (45 €) kurzweiligen Spaß mit dem heißen Grillstein und mächtig viel Rauch. Das Spielen mit unterschiedlichen Garzeiten ist immer genussreich und kann kaum misslingen. (7/10)

Ein großer Genuss an einem anderen Abend vor kurzem waren Churros mit Dulce de Leche; knuspriger, saftiger und karamellsüßer ist dieser lateinamerikanische Snack kaum vorstellbar. (7/10)

Und wenn man aus dem Haus hinausstolpert und sich die Lichter der Stadt in der Binnenalster spiegeln, liegt der Hauch von Weltstadt noch in der Luft. Jetzt schnell ein Lyft rufen und weiterziehen … Ach nein, hier stehen nur Taxen vor der Tür. Kartenzahlung fraglich.

Informationen zu diesen Besuchen
Restaurant: Nikkei Nine (→ Website)
Chef de Cuisine: Kai Weigand
Ort: Hamburg, Deutschland
Datum dieses Besuchs: 10.01.2023
Guide Michelin (D 2022): Empfohlen
Meine Bewertungen dieses Essens: 7 (Was bedeutet das?)
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