Jacobs Restaurant – Zeitenwende

Das berühmte Jacobs Restaurant in Hamburg hat die Pandemie etwas angeschlagen überlebt. Zunächst schloss das Restaurant für die Öffentlichkeit und bewirtete nur noch Hotelgäste. Inzwischen ist es wieder allen zugänglich, wenngleich mit schlankerem Anspruch. Auf der Website liest man, es ginge im Jacobs nun um »einfache Küche auf höchstem Niveau« und formuliert etwas umständlich, dass Küchenchef Thomas Martin im Jahr 2011 »erstmals zwei Michelin-Sterne« erhielt. Mit hanseatischer Zurückhaltung kaschiert man so die triste Tatsache, dass über dem Restaurant derzeit gar keine Sterne mehr leuchten, das Ende einer Ära.

Dass diese Einschätzung des Guide Michelin kaum realistisch sein kann, liegt schon darin begründet, dass jemand wie Martin gar nicht mittelmäßig kochen (lassen) kann. Er kann und kennt nur »sehr gut«, mindestens, für Martin ist ein Steinbutt mit Beurre Blanc wie Fahrradfahren. Das kann man nicht verlernen, auch, wenn man ihm noch so viele Mittel entzieht.

Daher findet auch ein solcher Fisch heute Abend irgendwie den Weg auf meinen Teller, im Rahmen eines speziellen Geburtstagsmenüs für mich. Das hier im Bericht beschriebene Mahl ist daher auch nicht mit dem aktuellen Menü zu verwechseln, das mit 162 € in sechs Gängen aber vermutlich auch nicht die einfachste Einfachheit zelebriert.

Das Jacobs war immer schon ein leises Restaurant, hanseatisch eben. Aber heute ist der schöne Saal so leer, dass die Gespräch hallen.

Auch die Weinkarte hat einiges an Grandeur eingebüßt. Das ist keine Kritik, sondern eine stiller Nachruf auf eine Zeit, in der ich in diesem Haus nicht weniger als meine Leidenschaft für gutes Essen und großen Wein zementiert habe. Ich werde aber mühelos fündig und bestelle für den Abend einen 2018er Chablis Grand Gru »Valmur« von der Domaine Christian Moreau (195 €) und einen 2018er Morey-Saint-Denis 1er Cru »Aux Cheseaux« von der Domaine Arlaud (210 €). Gerne genieße ich beide Weine parallel. Gerade der Pinot Noir dürfte sich gut mit den ersten Speisen vertragen.

Man startet etwas fernöstlich mit einer saftigen, in ein Perillablatt gewickelten Frühlingsrolle mit Sesam, die keck gewürzt ist und mit ihrem floralen Geschmacksbild tatsächlich mal an Frühling erinnert. (7/10)

Der erste Gang ist dann gleich ein kleines Meisterwerk, ein paté maison, eine nach allen Registern der klassischen französischen Kochkunst zubereitete Pastete im Teigmantel. Darin wurden unter anderem so feine Dinge wie Kalbsbries und Gänseleber verarbeitet. Die hervorragenden Zutaten und die akkurate Zubereitung, die zwar zu einer kompakten, aber nicht trockenen, Farce führt, der nicht spröde, aber auch nicht zu weiche Blätterteig sowie eine lebendige Würzung unterscheiden das Ergebnis maßgeblich von ähnlichen Vertretern aus der Bistroküche. Souverän wird die – genau richtig portionierte – Pastete mit einem kleinen Kräutersalat kontrastiert, an den Martin persönlich noch eine Trüffelvinaigrette angießt, die in guter Manier zum Nachnehmen am Tisch verbleibt. Einige Scheibchen des Wintertrüffels von guter Qualität lehnen auch noch an dem Salat. »Höchstes Niveau« stimmt, »einfach« sieht anders aus. (8,5/10)

Den Plan der Küche, gleich mit dem Steinbutt fortzufahren, durchquere ich nur kurz mit einem Intermezzo aus dem eigentlichen Menü in Form eines kross gegrillten Stücks Adlerfisch, der in einem pikant gewürzten Dashi mit Shiitakepilzen, Koriander sowie Pak-Choi und Sesam serviert wird. Der sehr präzise gegarte Fisch ist heiß und saftig, das Geschmacksbild erinnert mich an Gerichte mit gedämpftem Fisch und pikanter Würzung aus Hongkong. Dass man in Hamburg hier an die Elbchaussee fahren muss, um eine solche »Länderküche« auf hohem Niveau zu verkosten, ist eine der gastronomischen Skurrilitäten dieser Stadt. (7/10)

Dann kommt der Butt, eine Zutat, die man hier zu Zwei-Sterne-Zeiten täglich Dutzendfach aus der Küche schickte, immer hervorragend, immer kostspielig, immer begleitet von einer Champagner-Beurre-Blanc auf Weltklasseniveau. Der Steinbutt heute Abend zelebriert etwas mehr Ungezwungenheit als förmliche Eleganz, was schon durch die Wahl illustriert wird, ein (kulinarisch ohnehin spannenderes) Stück am Knochen zu servieren anstatt ein Filet.

Zu dem Fisch reicht man verschiedene Töpfchen mit Rettich, Rettichcreme und Beurre Blanc, Letztere vielleicht nicht ganz auf Weltklasseniveau, aber dennoch so, dass nichts davon später übrig bleibt. Kleine Kartoffeln dazu sind kurzweilig, ein scheinbar einfacher Gurkensalat ist der beste seiner Art, den ich je probiert habe, knackig-frisch, mit präsentem Dill und angenehmer Kühle, die in dem Kupfertöpfchen sogar erhalten bleibt. Der Gang macht qualitativ und durch seine Ungezwungenheit große Freude. (7/10)

Eine hervorragende Apfeltarte, flach, dicht, süß und intensiv – auch ein Klassiker – krönt zum Schluss noch das Mahl, das eigentlich viel mehr Anerkennung verdienen würde als nur von meinem Tisch (8/10).

Mit zwei Konstanten kann man im Jacobs also noch rechnen. Mit Thomas Martins unangefochtenem Können – und im Sommer mit der malerischen Lindenterrasse. Ich höre sie schon rufen, dafür ist es hier leise genug.

Informationen zu diesen Besuchen
Restaurant: Jacobs Restaurant (→ Website)
Chef de Cuisine: Thomas Martin
Ort: Hamburg, Deutschland
Datum dieses Besuchs: 09.02.2023
Guide Michelin (D 2022): Empfohlen
Meine Bewertungen dieses Essens: 7,5 (Was bedeutet das?)
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