Der Butt – ausgerechnet der

Für einen Wochenend-Kurztrip hat es mich in die Yachthafenresidenz Hohe Düne bei Rostock verschlagen. Die Kombination eines Luxushotels am Meer inklusive Sternerestaurant verspricht einen kurzweiligen Szenewechsel.

Kurzweilig ist auch zweifellos schon das Hotel an sich, in dem ich mich an Geschmacksverirrungen gar nicht satt sehen kann – Luxus hatte eben noch nie etwas mit Geschmack zu tun. Dennoch wird das Ambiente mit viel Kirschholz, Messing und maritimen Details zweifellos auch seine Anhängerschaft haben. Und, was soll ich sagen, immerhin bin ich auch aus ganz freiwilligen Stücken hier.

Neben fünf Themen-Restaurants des Hotels – von Da Mario bis Amarillo Steakhouse – findet man im oberen Stockwerk eines Nebengebäudes das Restaurant Der Butt. Es ist mit einem Michelin-Stern ausgezeichnet und verspricht gemäß der Website ein gediegenes Ambiente mit Meerblick bei zeitgemäßer französischer Küche. Das ist alles so fernab von irgendwelchen Trends und zeitgemäßen Restaurantkonzepten, dass ich richtig gespannt bin.

Ich hatte am Nachmittag schon einen 2018er Meursault »En Luraule« von der Domaine Rémi Jobard (135 €) öffnen lassen und dabei die Strategie verfolgt, ihn später im Restaurant weiterzutrinken. Die Weinkarte – davon hatte ich mir, wie üblich, bereits vor der Anreise ein Bild gemacht – ist insoweit interessant, als darin einige interessante Einzelflaschen aus älteren Jahrgängen zu finden sind, zu oft sehr fairen Preisen. Wein-Enthusiasten sind hier zweifellos nicht die Kernzielgruppe, weswegen manche Bouteille vermutlich lange auf der Karte schlummert – wie beispielsweise der 2001er Barolo riserva »Villero« von Vietti für 288 €, mit dem es gleich weitergeht.

Das Menü ist in vier bis sieben Gängen (189–249 €) erhältlich. Ich gehe erst mal all in und werde zum Ende hin entscheiden, wie es nach dem Hauptgang weitergeht. Alles kein Problem hier, der Service ist sehr freundlich und souverän.

Und dann geht es los mit einer Trilogie von Einstimmungen, die ganz grob dem Schema »etwas Knuspriges mit Fisch, etwas Knuspriges mit Fleisch und etwas Knuspriges mit Gemüse« folgen. Ein krosser Chip mit Büsumer Krabben und Dillcreme ist etwas rustikal, transportiert aber passend maritime Aromen (6,9/10); ein luftiger Cracker mit Tatar vom Weiderind kommt mit Kaviar, Schmand und Bärlauchblüte, ist sehr gut abgeschmeckt, kühl temperiert und kurzweilig knusprig (7/10); und eine murmelförmige Praline aus Aubergine mit Tomate und Rauchöl überzeugt mit einer filigranen Säure (7/10).

Zwei weitere Amuses wurden inzwischen aufgetischt: eine schaumig aufgemixte Spargelsuppe nach allen Regeln des Handwerks (6,9/10) und ein Thunfischtartar unter einem schaumigen Wasabi-Espuma mit Meerestrauben, Koriander und einigen knusprigen Elementen – erfrischend und sehr gut abgeschmeckt. Echten Wasabi hat der Schaum aber höchstwahrscheinlich nicht gesehen (und Wasabi einen solchen auch nicht verdient) (7/10).

Noch eine Einstimmung kommt in Form von gebratener Blutwurst vom Duroc-Schwein, geschichtet mit einem Stück Steinbutt, Selleriebrandade und knusprigen Teigfäden. Ein (nicht näher notiertes) Saucenduo mit Schnittlauch und etwas Gel vom sauren Apfel rahmen das Surf and Turf ein. Die Kombination aus präsenter Hitze, authentisch zubereiteter Blutwurst mit einem feinen, an Leberwurst erinnernden Geschmack, macht Lust auf mehr. (7/10)

Nun erst beginnt das eigentliche Menü. Dass man bereits vorab so umfangreich eingestimmt wird, ist gut gemeint, wäre aber einen Hinweis im Menü wert, um den Umfang besser einschätzen zu können.

Ei Benedict »auf unsere Art« kommt als pochiertes Eigelb, das schließlich auf dem Teller ausläuft und sich mit einer Kartoffelcreme, Hollandaise, grünem und weißem Spargel sowie einer großen Nocke N25-Kaluga-Kaviar vermengt. Die Kombination verspricht süffig-cremigen Genuss – und liefert diesen auch. Aber eine unerwartet prominente Süße, vielleicht vom Spargel, macht sich dort breit, wo salzige Akzente besser gepasst hätten. Erstaunlich, dass nicht einmal der (exzellente) Kaviar dagegen ankommt. Eine Teigtuile, die die Zutaten voneinander trennt, ist zudem etwas grob gearbeitet und lenkt damit eher ab, als dass sie einen reizvollen Texturkontrast bieten könnte. Das ist immer noch ein sehr guter Gang, der jedoch das Potenzial einer solchen Kombination nicht voll ausschöpft. (7/10)

Auch der folgende Gang setzt auf Klassisches. Den Teller ziert Kaisergranat (in der Karte fälschlicherweise als »Langostino« bezeichnet) – beispielhaft gegart und in einem schaumigen Krustentiersud angerichtet –, dazu gibt es eine frisch-grüne Kombination aus (leider übergarten) Erbsen und Zuckerschoten. Die Qualität des Krustentiers gelangt durch die gute Garung ideal zur Geltung und ist mit dem Krustentierjus klassisch kombiniert. Doch die bereits von Natur aus eher süß tendierenden Zutaten werden hier noch mit einem Passionsfruchtgel weiter in eine fruchtig süße Richtung gelenkt. Da ist mir erneut eine Nuance zu viel Süße im Spiel – in einer ansonsten gelungenen Komposition. (7/10)

In entspannter Atmosphäre, die Ostsee stets im Blick, geht es mit atlantischem Steinbutt weiter. Davon wurde eine quaderförmige Tranche sous vide gegart und ist mit gebratenen Artischocken in einem schaumigen Limettenjus angerichtet. Ein Mangokompott toppt den Fisch. Bei diesem Gericht machen sich leider deutliche handwerkliche Probleme bemerkbar. Die (für Fisch ohnehin ungewöhnliche) Vakuumgarung war offenbar nicht vorteilhaft für den Steinbutt, da sich dessen strukturiertes, feinlamelliges Fleisch aufgefasert hat, was zu einer trockenen, merkwürdig mürben Konsistenz führt. Zudem schmeckt der Fisch »fischig« – ich vermute, weil leichte Off-Noten, die sich bei anderen Garmethoden verflüchtigen würden, im Vakuumbeutel verstärkt wurden. Die Artischockenstücke haben zu starke Röstnoten, und auch hier passt die fruchtige Süße der Mango nicht. Ausgerechnet das namensgebende Tier wird hier nicht zum Star. (6/10)

Es folgt Challans-Ente mit einem Gel aus fermentiertem Knoblauch und kleinen Pralinen mit geschmortem Keulenfleisch. Das Bruststück der Ente wurde offenkundig erneut sous vide gegart und danach nicht scharf genug nachgebraten, was die Haut zu weich erscheinen lässt. Auch die homogene Textur des Fleischs ist nur mäßig spannend. Eine gewissenhafte Sauce und die weiteren Mitspieler passen alle gut dazu, aber die offenbar stilgebende Süße, mit der man hier bei den meisten Gängen spielt, ist mir erneut zu dominant. Das ist deutlich besser als der Steinbutt, bietet aber nicht viel Bemerkenswertes. (6,9/10)

Der letzte herzhafte Gang ist ein Beef Wellington. Das ist eine Überraschung, da das Gericht im Menü lediglich als »Filet vom japanischen Wagyu« bezeichnet wird. Ob diese Zubereitungsart ideal ist, um die besonderen Qualitäten japanischen Fleisches herauszuarbeiten, steht auf einem anderen Blatt, doch die gewissenhafte und technisch gelungene Zubereitung ist dem Gericht anzusehen. Die Scheibe aus Blätterteig, Spinat und zartem Fleisch ruht in einem dicht eingekochten Jus mit Cointreau; kleine Spitzmorcheln gibt es auch noch dazu. Insgesamt bleibt das Gericht hinter der verheißungsvollen Zubereitungsart zurück: Es fehlt an Salz, und erneut tritt eine unpassende Süße in den Vordergrund. Gerade Wagyu entfaltet seine Stärken am eindrucksvollsten in puristischer Form – hier steht es fast im Widerspruch zur Zubereitung. Solide, aber nicht strahlend. (6,9/10)

Auf eine Käseplatte – immerhin vom renommierten Affineur Maître Antony – lasse ich mich auch noch ein, anstelle eines Desserts. Käse in dieser Qualität bekommt man schließlich nicht alle Tage. Dazu gibt es ein hausgemachtes Chutney; hier passt nun erstmals auch die fruchtige Süße.

Eine Variation an Petits Fours, unter anderm mit einem Vanillehörnchen, Karamelltarte und Holunder-Marshmallow, sind sehr gut. (7/10)

Trotz fehlender kulinarischer Höhenflüge war der Abend hier angenehm. Der herausragende Wein, die behagliche Atmosphäre und ein passioniertes Serviceteam sorgten für Entspannung und ein insgesamt kurzweiliges Erlebnis. Dass die kleine Küche mit ebenso kleinem Team eine derartige Vielfalt über den Pass schickt, ist ohnehin erstaunlich. Tauschte man aber etwas Quantität gegen eine bessere geschmackliche Justierung, wäre das eine Bereicherung.

Informationen zu diesem Besuch
Restaurant: Der Butt (→ Website)
Chef de Cuisine: André Münch
Ort: Rostock, Deutschland
Datum dieses Besuchs: 24.05.2025
Guide Michelin (Deutschland 2024): *
Meine Bewertung dieses Essens: 6,9 (Was bedeutet das?)
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