Zur Wolfshöhle – der Wolf kocht klassisch
In Freiburgs pittoresker Altstadt, im Restaurant Zur Wolfshöhle, kocht seit Anfang 2022 Martin Fauster, dessen Karriere klassisch geprägt ist. Vor allem in München war Fauster viele Jahre lang eine feste Größe und wirkte dort hauptsächlich im Königshof und im Tantris.
Die Speisekarte der Wolfshöhle klingt leicht und französisch, man erkennt die Prägung der Tätigkeit in München. An diesem hochsommerlichen Mittag freue ich mich besonders auf die Möglichkeit, einige leichte Gerichte à la carte auszuwählen. Doch es kommt anders: Man habe schon etwas vorbereitet, erklärt der Service mit hoffnungsvollem Blick und Verweis auf ein bereits am Platz ausliegendes Menü (180 €). Das liest sich dann auch zu gut, um es abzulehnen. Also, was soll’s? Das Abendessen ist noch in weiter Ferne.
Speisesaal mit Kunstwerk von Hans Haas
Auch die Weinthematik ist schnell geklärt. Offen starte ich mit einem Glas 2023er Sauvignon Blanc »Kalk & Kreide« des Weinguts Tement aus der Südsteiermark (11 €) in den Mittag; eine Flasche 2013er Spätburgunder »Schlossberg« von Bernhard Huber (210 €) ist auch schon bestellt und wird gerade geöffnet.
Den kulinarischen Auftakt macht eine kleine Nocke Rindertatar, perfekt abgeschmeckt, kühl temperiert, serviert mit einem Wachtelei und einem heißen Stück gebackener Rinderzunge. Das ist so herzhaft wie präzise, mit feiner Säure und reizvollen Kontrasten. In diesen klassischen Zutaten liegt zudem eine beruhigende Seriosität. (7/10)
Die zweite Petitesse setzt gleich nach – und wie! Der vorherigen (eleganten) Rustikalität weicht mit einer Tranche Gelbschwanzmakrele, die in einem Sud von gelber Paprika mit Avocado und roter Zwiebel angerichtet ist, einem regelrecht japanischen Duktus. Der betörende Schmelz der Makrele, die elegant maritimen Aromen, die fein balancierte Säure und die ideale Temperatur: das ist schlicht hervorragend. (8/10)
Auch die dritte Einstimmung hält das Niveau: eine mit Blaubeeren aromatisierte Gänselebercreme, kühl, aber nicht kalt, getoppt mit gehobelter, geräucherter Gänseleber. Ein überraschend luftiger, getoasteter Briochewürfel liegt neben der Creme. Das – nur optisch – an ein Dessert erinnernde Gericht, bietet schmelzigen Genuss, dem durch feine Fruchtsäure und kühle Temperatur jegliche Schwere genommen wird. Exzellent. (8/10)
Der erste Menügang bietet danach Seeforelle des renommierten bayerischen Züchters Nikolai Birnbaum. Eine dicke, längs aufgeklappte Tranche liegt lauwarm temperiert in einem Duo aus einer fein aufgeschlagenen Sauce auf Basis von Forellenfond, sowie Schnittlauchöl. Weitere Komponenten sind ein klug dosiertes Selleriepüre, feine Selleriefäden, Quinoa und Forellenkaviar. Was sofort frappiert, ist die exzellente Qualität des Fischs, dessen subtile Aromen durch die behutsame Garung besonders gut zur Geltung kommen – grasig, süßwasserhaft, klar und natürlich. Auch die Sauce überzeugt: unaufgeregt, perfekt abgeschmeckt – ein Beispiel klassischer Saucenkunst. Das Gericht erinnert mich stilistisch stark an die Schule von Hans Haas; auch bei Sigi Schelling wäre ein solcher Teller bestens vorstellbar. Weiterhin auf hervorragendem Niveau. (8/10)
Bei aller Freude über die kulinarische Finesse, überrascht die recht nüchterne Stimmung im Restaurant. Der Service ist korrekt, aber reserviert, das Interieur gepflegt, aber etwas bieder, der Altersdurchschnitt der Gäste hoch, die Konversationen gedämpft statt lebendig. Ich lasse mich von der guten Laune an meinem Tisch zwar nicht abbringen, aber so etwas wundert mich immer – es bleibt ein sehr deutsches Phänomen.
Der zweite Fischgang folgt. Nun ziert ein Stück Steinbutt den hübschen Hering-Teller, leicht goldbraun gebraten und mit Pfifferlingen, Spinat und einem mit geräucherter Kartoffel gefüllten Raviolo in einem Liebstöckelsud angerichtet. Das Gerichtet duftet nach Sommerwald und würziger Brühe – vielschichtig, warm und appetitanregend. Besonders erfreulich: Es ist heiß serviert, ein oft vernachlässigter Aspekt. Geschmacklich überzeugt der Gang durch feine Säure im Sud, aromatisch strahlende Pilze und einen geheimnisvollen Rauchton aus der Teigtasche. Nur die Garung des Fischs ist ein Hauch über das Ideal hinaus. Dennoch, das Niveau bleibt sehr hoch. (7,5/10)
Es geht weiter mit Rotbarbe. Auch dieser Teller strahlt eine Souveränität aus, die sich nur jemand leistet, dessen Handwerk Substanz hat. Erwartungsgemäß sind die Qualität des Fischs und dessen Garung makellos. Begleitet wird er von durch und durch mediterranen Mitspielern: Tourniertes Artischockenherz, geschmolzene Tomate, Sauce Rouille und eine aromatisch präzise, aber nicht überextrahierte Bouillabaisse setzen einen südfranzösischen Ton. Klar, ruhig und hervorragend. (8/10)
Mit einem Hummer Thermidor wird es dann noch mal ganz klassisch. Das heißt: In einer halben Karkasse des bretonischen Hummers findet man neben mundgerecht portionierten Stücken des Krustentiers noch Spinat und Champignons; all das bleibt warm unter einer gratinierten Hollandaise. Das Gericht, für das man lediglich einen Löffel benötigt, ist charmant unkompliziert und bietet saftigen, rustikalen Hummergenuss. Sehr gut – nicht mehr, nicht weniger. (7/10)
Der letzte herzhafte Gang kreist um Milchlamm. Das gibt es in drei Zubereitungen: als saftig rosa gebratenes Karree mit knuspriger Kruste, als gebratenes Stück Bries und als kleines geschmortes Stück von der Zunge. Die Qualitäten und Zubereitungen des Fleischs sind makellos; besonders das Karree überzeugt durch Saftigkeit, durch integriertes Fett, das appetitlichen Schmelz liefert, und durch den authentischen, aber nicht stalligen Geschmack. Grüne Bohnen, auf den Punkt gegart und noch heiß auf dem Teller, sowie einen Auberginecreme und -kaviar begleiten das Lamm mit dezenten orientalischen Aromen. Hier ist auf den ersten Blick nichts eine Offenbarung, aber die souveräne Reduktion und das präzise klassische Handwerk setzen sich von vielem ab, das man sonst auf dem attestierten Niveau erleben kann (und manchmal auch darüber hinaus). (7,5/10)
Zum Dessert – es steht zu meiner Erleichterung nur eines im Menü – wechsle ich noch mal die Szenerie. Draußen vor dem Restaurant sitzt man direkt in der Fußgängerzone. Das muss man mögen, aber für den Ausklang ist es jetzt genau das Richtige.
Erdbeeren mit Lemon Curd, Topfenschaum und Basilikumsorbet sind ideal bei den tropischen Temperaturen draußen. Es schmeckt clean, kühl und erfrischend, mit sehr aromatischen Erdbeeren (7/10). Dazu noch ein Espresso und noch ein letztes Mini-Profiterole (7/10), und dem Abendessen steht nichts mehr im Weg.